Bestandssignatur

6-33-2020

Laufzeit

(1887) 1913 - 1945

Umfang

68,97 lfm/ 15.589 VE

Findmittel

Datenbank

Inhalt

BEHÖRDENGESCHICHTE
Bereits einen Tag nach Erlass des Reichsgesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses gründete der Reichsstatthalter in Thüringen, Fritz Sauckel, am 15. Juli 1933 das Thüringische Landesamt für Rassewesen (TLfR). Zum Präsidenten des Landesamtes ernannte Sauckel den Gründer und bisherigen Leiter des Rassehygiene-Amtes der Reichsführerschule der SA in München Dr. med. Karl Astel. Die Hauptaufgabe des TLfR lag zunächst in der Verbreitung des nationalsozialistischen Rassegedankens in der Bevölkerung sowie in der Schulung aller Berufsgruppen, deren Arbeitsgebiet mit dem Rassewesen unmittelbar oder mittelbar in Berührung standen (v. a. Ärzte, Lehrer, Bürgermeister, Juristen). Es wurden Schulungskurse zur Rassenkunde und Eugenik durchgeführt, in deren Mittelpunkt die praktische Anwendung rassenhygienischer Maßnahmen stand.
Daneben hatte das TLfR maßgeblichen Anteil an der Durchführung der nationalsozialistischen Rassegesetzgebung in Thüringen, insbesondere bei der Verwirklichung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933, des Gesetzes zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes vom 18. Oktober 1935 sowie des Gesetzes zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935. Der Arbeitsschwerpunkt lag auf der Erfassung und Beurteilung der nach dem NS-Rasseverständnis als "erbkrank" angesehenen Personen (darunter auch Schwererziehbare, Sozialfälle, Alkoholkranke), die Erstellung von Ehetauglichkeitszeugnissen und die damit verbundenen Untersuchungen sowie der Nachweis der Abstammung von "deutschem oder artverwandtem Blut". Ziel des TLfR war eine erbbiologische Bestandsaufnahme der gesamten thüringischen Bevölkerung. Dies konnte jedoch bis Kriegsende nicht verwirklicht werden, u. a. weil die erbbiologischen Erhebungen und Untersuchungen erbkranker Menschen zunächst den wichtigsten Teil der Arbeit einnahmen.
Die Arbeit des Landesamtes wurde spätestens im April 1945 mit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen im Land Thüringen eingestellt.

BESTANDSGESCHICHTE
Um die Registratur des Thüringischen Landesamtes für Rassewesen (TLfR) gegen Bombenangriffe zu schützen, wurde es in den letzten Kriegsjahren in eine Gastwirtschaft nach Hetschburg ausgelagert. Der gesamte dort lagernde Aktenbestand umfasste im Jahre 1946 noch ca. 1.000 lfm. Die für die Benutzung erforderliche Kartei befand sich nach Kriegsende noch im Gebäude des ehemaligen TLfR in Weimar (Marienstraße 15). Transportschwierigkeiten, Raumnot und Arbeitskräftemangel bedingten, dass die Unterlagen erst 1952 in das Staatsarchiv Weimar gelangten. Da die beim TLfR geführte Kartei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden war - sie ist vermutlich in den Nachkriegswirren vernichtet wurden - wurde das Aktenmaterial nach inhaltlichen Gesichtspunkten in mehrere Teilbestände aufgeteilt. Die Bestandsbearbeitung, die im Sommer 1995 begann, konnte (nach längeren Unterbrechungen) im Oktober 2019 abgeschlossen werden. Die Verzeichnungsarbeiten wurden in den 1990er Jahren von Frau Doris Wagner und ab 2017 von Frau Heike Grau, jeweils unter Anleitung der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Grit Kurth, durchgeführt, die restauratorischen Maßnahmen übernahm Frau Brigitte Arenhövel.
Der Bestand umfasst 68,97 lfm und enthält Unterlagen aus den Jahren (1887) 1913 - 1945 aus nachfolgenden Bereichen:
- Nachweise über Unfruchtbarmachungen (11.274 Einzelfälle), überliefert sind für diesen Teilbereich außerdem Einzelfallmeldungen der staatlichen Gesundheitsämter und Statistiken
- Nachweise über Hochverratsurteile (684 Einzelfälle)
- Nachweise über Sondergerichtsurteile (284 Einzelfälle)
- Nachweise über Strafgefangene (1952 Einzelfälle)
- Nachweise über jüdische Abstammungen (50 Einzelfälle)
- Vaterschaftsgutachten (142 Einzelfälle)
- Nachweise über Unterbringungen in Heil- und Pflegeanstalten (290 Einzelfälle)
- Medizinische Untersuchungen (70 Einzelfälle)
- Nachweis über Eheeigung, Ehevermittlung, Adoption (4 Sammelakten)
- Einbürgerungen (678 Einzelfälle)
- Besondere Fälle (27 Einzelfälle, u. a. Anträge auf Wohnraum an die Familienheimstätte, Gutachten über die "arische Abstammung", Anträge auf Ehegenehmigung)
- Personalunterlagen von Rassewarten (94 Einzelfälle)
- Privater und dienstlicher Schriftverkehr mit Prof. Dr. Karl Astel (1 VE)

Weimar, den 18. März 2020
gez. Grit Kurth
Oberarchivrätin

Literatur:
Peter, Antonio: Das Thüringische Landesamt für Rassewesen. - In: Nationalsozialismus in Thüringen. Herausgegeben von Detlev Heiden und Gunther Mai. Weimar [u. a.] 1995, S. 313-332.
Graupner, Grit: Archivbestand Thüringisches Landesamte für Rassewesen. - In: Archive in Thüringen (1996) H. 11, S. 17-18. [elektronische Reverenz: https://zs.thulb.uni-jena.de/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_00200971/1996-11.pdf ]