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Das Stadtarchiv Mühlhausen hat in den Jahren 2006/2007 anlässlich des Jubiläums "300 Jahre Bach in Mühlhausen" (am 15. Juni 1707 hatte J. S. Bach seine Anstellung als Organist an Divi Blasii erhalten) von Frau Gertrud Sawade, Mühlhausen, den Nachlass ihres verstorbenen Mannes, des ehemaligen Mühlhäuser Kirchenmusikdirektors Heinz Sawade (1912-1984) übernommen.
Die im September 2012 inoffiziell und am 10. Januar 2013 offiziell von Matthias Sawade, Sohn Heinz Sawades, an das Stadtarchiv übergebenen vier Originalbriefe und vier Originalfotos aus dem Schriftwechsel seines Vaters mit Albert Schweitzer (1875-1965) zum Neubau der 1959 eingeweihten Orgel in der Divi-Blasii-Kirche sowie 2016 die Übergabe zweier Kompositionen seines Vaters, der Johannes- und Markus-Passion einschließlich einiger Chorhefte vervollständigen diesen Nachlass. (Zuvor waren diese Dokumente nur als Abschriften bzw. Kopien im Nachlass enthalten.) Sie haben einen besonders hohen Wert für die Mühlhäuser Stadt- und Musikgeschichte.
Der Nachlass Sawade hat einen Umfang von 5 Kartons (knapp 1 lfm). Die Materialien umfassen den Zeitraum 1924-2013 und bestehen v. a. aus Unterlagen und Fotos zur Familie, Zeugnissen, Beurteilungen, Konzertprogrammen, Berichten und Kritiken über Konzerte, Rundfunk- und Fernsehveranstaltungen, Schriftverkehr mit kirchlichen und staatlichen Stellen, bekannten Persönlichkeiten und Musikern (darunter mit Herrn Prof. Soriano in Uruguay und Herrn Prof. Dr. Albert Schweitzer in Lambarene), Schriftstücken zu den Bachfesten in Lüneburg, Schaffhausen, Stuttgart und Mühlhausen 1956-1959, Dokumenten zur Weihe der neuen Bachorgel an der Divi-Blasii-Kirche in Mühlhausen 1959 sowie Unterlagen zum Mühlhäuser Bachchor (gegründet von Heinz Sawade im Januar 1948).
Heinz Sawade wurde am 5. September 1912 in Breslau geboren, studierte am Institut für Kirchenmusik der Universität seiner Vaterstadt und gab bereits 1936 erste Orgelkonzerte in der Breslauer Katharinenkirche, die sogar im Ausland durch Rundfunkübertragungen positive Resonanz fanden. Nach Kriegsdienst und französischer Gefangenschaft übernahm Heinz Sawade Ende 1947 in Mühlhausen die Organistenstelle an der Divi-Blasii-Kirche und gründete im Januar 1948 den Mühlhäuser Bach-Chor, der schon nach kurzer Zeit durch eine hohe Qualität seiner Aufführungen große Resonanz bei Sängern und Publikum fand. Der Chor trat eine Zeit lang auch zusammen mit dem staatlichen Kulturorchester Mühlhausen bzw. dem Loh-Orchester Sonderhausen auf. Zum Repertoire des Bach-Chores gehörten v. a. Werke von Bach, Händel, Haydn, Mozart und Brahms.
Die Schulze-Orgel von 1823 in der Divi-Blasii-Kirche erwies sich zunehmend als mangelhaft für die Aufführung großer Orgelwerke, so dass ein Orgelneubau notwendig wurde. Berühmtester Befürworter dieses Vorhabens war der Arzt und Friedensnobelpreisträger Prof. Dr. Albert Schweitzer (1875-1965), der auch als Organist und Bachforscher berühmt wurde. In den Jahren 1951-1960 gab es einen Briefwechsel Sawades mit Schweitzer, um dessen Rat, Unterstützung und Befürwortung für den Orgelneubau an Divi Blasii sich Sawade bemüht hat. Schweitzer empfahl dringend, sich beim Neubau an die Orgeldisposition von Johann Sebastian Bach aus dem Jahre 1708 zu halten, die im Vorfeld der Überarbeitung der Orgel an Divi-Blasii (1709) entstanden war und deren Original im Stadtarchiv Mühlhausen verwahrt wird. 1955 hatte Sawade Schweitzer bereits einmal in dessen Haus in Gunsbach im Elsass besucht und dieses Thema mit ihm besprochen. Die Briefe an Sawade lassen erkennen, dass sein Plädoyer für einen Neubau nach Bachs Orgeldisposition sowohl inhaltliche (Eigenzeugnis Bachs für eine aus seiner Sicht ideale Orgel) als auch praktische Gründe (Einwerbung privater Spenden insbesondere auch im Ausland) hatte.
Zum 36. Deutschen Bachfest in Mühlhausen (1. bis 5. Juli 1959) wurden die sanierte Divi-Blasii-Kirche und die neue Orgel (Bau der Firma Schuke, Potsdam, 42 Register) feierlich übergeben. Zur Einweihungsfeier am 24. Mai waren ca. 1.500 Gäste erschienen, darunter der Präsident der evangelischen Kirchenkanzlei, Dr. Oscar Söhngen (Berlin). KMD Heinz Sawade war der musikalische Organisator des Bachfestes und spielte auf der neuen Orgel. Albert Schweitzer war von der Stadt Mühlhausen eingeladen worden, konnte aber selbst nicht teilnehmen. Heinz Sawade hat ihm dafür ein Tonband mit einem Orgelgutachen und den ersten Aufnahmen von der neuen Bach-Orgel in sein Hospital nach Lambarene/Gabun übersandt (überbracht von Gerald Götting, Generalsekretär der CDU der DDR), wofür sich Schweitzer in einem Brief im Jahre 1960 bedankte.
Heinz Sawade starb am 5. März 1984 in Mühlhausen. Er erfuhr eine nachträgliche Ehrung für sein musikalisches Wirken in Mühlhausen, als im Jahr 2000 eine Straße nach ihm benannt wurde. Heinz Sawade hat sich in den dreißig Jahren seines Wirkens in Mühlhausen große Verdienste um die Bachpflege und das Musikleben der Stadt erworben, so auch um die seit 1947 stattfindenden Mühlhäuser Musiktage. Seine Frau Gertrud (1914-2013) und sein Sohn Matthias Sawade (geb. 1943) waren ebenfalls kirchenmusikalisch tätig. Gertrud Sawade gründete und leitete von 1948 bis 1981 den Kinder-Bach-Chor und wirkte von 1948 bis 1971 als Organistin an St. Marien. Matthias Sawade studierte das Fach Orgel an der Hochschule für Musik in Leipzig, war als Organist tätig und wirkte viele Jahre als Honorar-Lehrer an der Mühlhäuser Kreismusikschule "Johann Sebastian Bach".