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Die Firma S. A. Oppé in Mühlhausen

Die Familie Oppé - Besitzer der Oppenheimer Weberei in der Kurzen Jakobigasse 3 und damit einer der größten Arbeitgeber Mühlhausens - war eine der einflussreichsten jüdischen Familien in der Stadt.
Aus dem Jahre 1722 ist ein Schutzbrief für Levi Oppenheim aus Worms bekannt, der die Tochter eines Mühlhäuser Juden heiratete. Drei Jahre später, im Jahre 1725, wurde durch Heinemann Sußmann die Oppenheimsche Weberei als Raschwarenfabrik (zur Herstellung von Tüll, Spitze und Plüsch) gegründet. 1763-1784 war Abraham Levy Oppenheim Firmeninhaber; von 1784-1802 führte sie der aus Eschwege zugewanderte Verwandte Abraham Levy Oppenheim. 1791 stellte Kaiser Leopold II. ein kaiserliches Privileg zur Errichtung einer Fabrik aus.
Der Firmenname "S. A. Oppe" am Gebäude in der Kurzen Jakobistraße 3 ist auf "Süssmann (Samuel) Abraham Oppé" zurückzuführen, der das kaiserliche Schutzwappen mit dem habsburgischen Doppeladler an der Hofpforte anbringen ließ, nachdem er Kaiserlicher Hoflieferant geworden war. 1802 bis 1843 führte Samuel Abraham Oppenheim, der jüngste Sohn von Abraham Levy Oppenheim die Firma weiter (gemäß Dekret vom 31.03.1808 änderten sie ihren Namen in Oppé, um damit ihre Loyalität gegenüber den Idealen der französischen Revolution zu demonstrieren). 1843-1879 führte Armin Oppé, Sohn von Samuel Abraham Oppé, den Betrieb.
Die Familie Oppé prägte im 19. Jahrhundert stark das jüdische Gemeindeleben in Mühlhausen, stellte Stadtverordnete (z. B. Armin Oppé von 1848-1874 und sein Sohn Louis Oppé von 1880-1915) und förderte mit finanziellen Zuwendungen öffentliche Einrichtungen. Louis Oppé leitete die Weberei von 1879-1902 und ließ 1889 eine neue Villa für seine Familie am Lindenbühl 17 errichten, in der seine Witwe Laura dann von 1915 bis 1940 allein lebte. Danach kam das Gebäude in den Besitz des Roten Kreuzes, ein Kindergarten und ein Entbindungsheim und anschließend ein Betriebskindergarten wurden hier untergebracht. Nach längerem Leerstand erfolgte nach 1990 die Sanierung und die Nutzung des Gebäudes als Ärztehaus.
1914 wurde Alfred Salfeld (1872-1944), Neffe von Louis Oppé, Inhaber und Geschäftsführer der Firma S. A. Oppé, Fabrik wollener Waren, in der Kurzen Jakobistraße 3.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 nahmen die Repressalien gegen jüdische Unternehmen zu, so auch in Mühlhausen gegen die Firma Oppé. Im Jahre 1938 mussten schließlich die Firma (mit 84 Beschäftigten) und der Grundbesitz der Oppés ("Zwangsarisierung") an die Thuringia-Weberei W. & J. Kunckell in Dingelstädt verkauft werden (Vertrag vom 15.09.1938) und Alfred Salfeld wurde während der Reichspogromnacht am 9. November 1938 verhaftet. Nach der Haftentlassung aus dem KZ Buchenwald wurde die Familie ausgeplündert und isoliert. Alfred Salfeld und seine englische Frau Cecilie starben bereits 1944 in Mühlhausen in ihrem Haus Frohnestraße 5. Nach Kriegsende 1945 erreichte Tochter Annelise Sparr, geb. Salfeld, die Rückübertragung der Firma S. A. Oppé mit Kaufvertrag vom 24.09.1945, auf Grund des vom Thüringer Landtag verabschiedeten Thüringer Wiedergutmachungsgesetzes vom 15.09.1945. Im Jahre 1972 musste Frau Sparr der Verstaatlichung des Betriebes zustimmen. Die Firma wurde nun bis 1990 unter dem Namen VEB Textilwerke Mühlhausen weiter betrieben. 1990 bewirkte sie erneut die Reprivatisierung des Betriebes.

Literatur und Quellen:
Helge Wittmann (Red.), Distanzen - Jüdisches Leben in Mühlhausen (Ausstellungen des Stadtarchivs Mühlhausen; 2. Schriftenreihe der Friedrich-Christian-Leser-Stiftung; 28), Petersberg 2013, S. 98-109; Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen (Hrsg.): Ausgegrenzt und Ausgeplündert. Judenverfolgung in Thüringen 1933-1945. Zur Bilanz eines Wanderausstellungsprojektes. o. O. [2012], S. 14-17; Dieter Fechner, Mühlhäuser architektonische Kleinode in alter Schönheit - und ihre Bewohner. Restaurierte Mühlhäuser Bürgerhäuser gestern und heute; eine Auswahl. Bad Langensalza 2015, S. 93-95; Manfred Thiele, Im Schatten des gelben Sterns. Zur Erinnerung an jüdische Bürger Mühlhausens. Mühlhausen 1989, S. 57-64; Michael Helbing, Einmaliges Zeugnis: Kaiserliches Schutzwappen in Mühlhausen. In: Thüringer Allgemeine vom 02.03.2016; Dieter Fechner und Rita Specht, Häuser in Mühlhausen. Bd. 1: Häuser und ihre Geschichte. Arnstadt & Weimar 2000, S. 215-220; Carsten Liesenberg, Zur Geschichte der Juden in Mühlhausen und Nordthüringen und die Mühlhäuser Synagoge (Mühlhäuser Beiträge. Sonderheft; 11), Mühlhausen 2002, S. 30-39, S. 60-63, S. 75-78; Rolf Barthel, Wider das Vergessen. Faschistische Verbrechen auf dem Eichsfeld und in Mühlhausen, Jena 2004, S. 44-62.

Verweis: StadtA Mühlhausen, 652/19 (Film: Geachtet - geächtet - verloren / Alfred Salfeld und dieTuchweberei Oppé, gegr. 1725, Farbe mit historischen Filmaufnahmen aus den 1930er Jahren, von Kuhse/Kemper 2010/2011).
86/245 Liesenberg, Carsten. Die Juden in Mühlhausen.