Vorwort
Institutionsgeschichte:
Am 29. Juni 1935 wurde das Unternehmen unter dem vorläufigen Namen Thüringische Spinnfaser AG, seit Januar 1936 Thüringische Zellwolle AG, in Weimar gegründet. Geschäftsführendes Vorstandsmitglied wurde Dr. Walter Schieber. Noch im selben Jahr begann man in Schwarza mit dem Bau einer Fabrik. Schwarza verfügte sowohl über einen Bahnanschluss als auch über einen Wasserzugang durch die Lage an der Einmündung der Schwarza in die Saale und erfüllte damit wichtige infrastrukturelle Voraussetzungen für die Textilproduktion. 1936 wurde zunächst die Zellwolle-Produktion aufgenommen und bis 1942 die Anlagen für die Produktion von Schwefelsäure und Schwefelkohlenstoff errichtet. Ab 1942 baute man eine Versuchsanlage für Perlon-Cord-Seide sowie eine Formaldehyd-Anlage und eine Nebelsäure-Anlage.
Gleichzeitig wurde in dem Unternehmen die Forschung vorangetrieben, unter anderem im Bereich der Zellstoffgewinnung aus Kartoffelkraut und der Eiweißsynthese.
Seit 1935 erwarb die Thüringische Zellwolle AG Beteiligungen an anderen Firmen und war Muttergesellschaft mehrerer in der "Werkegruppe Schwarza" zusammengefasster Unternehmen, die juristisch selbstständig waren, aber vom "Arbeitsstab Dr. Walter Schieber" geleitet wurden.
Die Thüringische Zellwolle AG Schwarza war mit einigen ihrer Tochtergesellschaften Mitglied der Zellwolle- und Kunstseide-Ring GmbH, Berlin (ZKR). Deren Vorstandsvorsitzender Dr. Walter Schieber leitete die Gesellschaft vom Standort Schwarza aus. Der ZKR kontrollierte unter anderem auch die französische Kunstseidenindustrie, die nach der Besetzung Frankreichs durch Deutschland in einer Organisation ähnlich der des ZKR namens France Rayonne zusammengeschlossen war.
Das Werk in Schwarza erlitt nur wenige Kriegsschäden. Lediglich die Wohnlager Müllersche Fabrik und "Schillers Hof" wurden durch Bomben beschädigt.
Nach einem den Wirren des Kriegsendes geschuldeten Stillstand zwischen April und Juni 1945 konnte die Produktion am 3. Juli genannten Jahres wieder aufgenommen werden.
Seit Dezember 1945 wurde die Thüringische Zellwolle AG durch die sowjetischen Besatzungsbehörden unter Sequester gestellt und durch einen treuhändisch eingesetzten Verwalter geleitet. Am 20. Juni 1948 wurde das Unternehmen als VEB Thüringische Zellwolle verstaatlicht und im Juni 1950 im Rahmen einer Großveranstaltung in VEB Thüringisches Kunstfaserwerk "Wilhelm Pieck" umbenannt.
Nach den Versorgungsengpässen der ersten Nachkriegsjahre konnte die Produktion ab 1949 durch den Bau neuer Anlagen erweitert werden. 1950 nahm die erste Produktionsanlage für die Erzeugung von Perlon (PAS) den Betrieb auf, 1954 die zweite und 1963 die dritte. Daneben wurden unter anderem auch das werkseigene Kraftwerk und das Materiallager erweitert sowie die Poliklinik (1948), der Betriebskindergarten in der Fröbelstraße (1951) und das Werksrestaurant (1972) eröffnet.
Seit 1959 wurde auf Beschluss des Warenzeichenverbandes für Kunststofferzeugnisse der DDR die Bezeichnung Dederon anstelle von Perlon verwendet. Vier Jahre später erfolgte die nochmalige Umbenennung des VEB Thüringisches Kunstfaserwerk "Wilhelm Pieck" in VEB Chemiefaserwerk "Wilhelm Pieck". Diese Bezeichnung trug das Werk bis zur Gründung des Chemiefaserkombinats Schwarza "Wilhelm Pieck" 1970, das seinen Sitz in Rudolstadt nahm. Neben dem Stammbetrieb in Schwarza gehörten dem Kombinat noch zehn weitere Betriebe an.
1990 wurde das Unternehmen als Thüringischen Faser AG Schwarza (TFS) privatisiert und ging 1993 in die Gesamtvollstreckung.
Beteiligungen:
Beteiligungen ab 1935
Thür. Spinnfaser AG Weimar
Zellwolle-Arbeitsgemeinschaft GmbH Berlin
Schlesische Zellwolle AG Hirschberg
Sächsische Zellwolle AG Plauen
Süddeutschen Zellwolle AG Kelheim/Donau
Versuchsanlage Rochlitz
Beteiligungen ab 1936
ZELKA Zellwolle-Ausgleichskasse GmbH Berlin
Westfälische Zellstoff AG Wildshausen
Beteiligungen ab 1937
Spinnstoff GmbH Berlin
Alphalint Edelzellstoff GmbH Peschelmühle
Beteiligungen ab 1938
Deutscher Zellwoll-Ring e.V. Berlin
Deutscher Zellwoll-Ring-Verkaufsgemeinschaft GmbH Berlin
Zellwolle Export Gemeinschaft GmbH Berlin
Zellwolle und Papier Lenzing AG
Zellwolle Lehrspinnerei GmbH Denkendorf
Beteiligungen ab 1939
Solanum GmbH Riesa
Spinnstoff GmbH Cottbus
Warthegarn Litzmannstadt
Beteiligungen ab 1940
Schwefelkohlenstoff GmbH Frankfurt/Main
Schwäbische Zellstoff AG Ehingen
Spinnstoff-Fabrik Zehlendorf
Beteiligungen ab 1941
Biosyn GmbH Weimar
Thüringenhaus AG Weimar
Zellwolle- und Kunstseide-Ring GmbH Berlin
Werk Roanne
Spinnstoffwerk Glauchau
Beteiligungen ab 1942
Moy de l Aisne
Thüringer Rohstoff AG Weimar
Pfännerwirtschaft-Solquellen/ Bad Frankenhausen
Werk Zwijnaarde
Wirtschaftsgruppe Papier-, Pappen-, Zellstoff- und Holzstoff-Erzeugung Berlin-Charlottenburg
Beteiligungen ab 1943
Gispersleben (Igavig)
Geschäftsführer/ Werkleiter/ Vorstandsvorsitzende:
1935 - 9/1943: Dr. Walter Schieber
10/1943 - 4/1945: Dr. Halvor Sudeck
Mitte 1945 - 8/1948: Dr. Alfred Friederich
8/1948 - 9/1948: Kurt Gerhards (kommissarischer Werkleiter)
10/1948 - 3/1951: Dr. Erich Correns
4/1951 - 8/1953: Dr. Hermann Klare
9/1953 - 4/1956: Eberhard Fickler
5/1956 - 9/1964: Hermann Danz
10/1964 - 9/1967: Hans Valentin
10/1967 - 12/1969: Dr. Dieter Buskies
1/1970 - 4/1974: Dr. Brunhilde Jäger
5/1974 - 9/1977: Rolf Wolf
9/1977 - 2/1990: Dr. Klaus Seydewitz
2/1990 - 1992: Gunter Schmidt (Vorstandsvorsitzender)
1992 - 2001: Winfried Andres (Konkurs- und Insolvenzverwalter)
BGL-Vorsitzende:
1948 - 1950: Horst Gerold
1950 - 1953: Alfred Lipfert
1953: Hugo Lattermann
1953 - 1955: Alfred Voigt
1955 - 1959: Hermann Tenner
1959 - 1965: Horst Schmidt
1965 - 1967: Egon Knye
1967 - 1971: Harry Weber
1971 - 1972: Ulrich Bayer
1972 - 1975: Helmut Jahn
1976 - 1979: Elisabeth Bensch
1980 - 1989: Herta Pettersch
1990 - 1994: Jürgen Völkerling (Betriebsratsvorsitzender)
Werksbezeichnungen:
1935-1936: Thüringische Spinnfaser AG
1936-1948: Thüringische Zellwolle AG
1948-1950: VEB Thüringische Zellwolle
1950-1963: Thüringisches Kunstfaserwerk "Wilhelm Pieck"
1963-1970: VEB Chemiefaserwerk "Wilhelm Pieck"
1970-1990: VEB Chemiefaserkombinat Schwarza "Wilhelm Pieck"
1990-1993: Thüringischen Faser AG Schwarza (TFS)
Bestandsgeschichte:
Das Chemiefaserkombinat Schwarza "Wilhelm Pieck" verfügte über ein eigenes Archiv, daher erfolgten vor 1990 keine Übernahmen in das Staatsarchiv Rudolstadt. Nach 1990 wurde das Unternehmen privatisiert, so dass das Schriftgut des VEB in den Besitz der neugegründeten Thüringischen Faser AG Schwarza überging. Damit galten für das Schriftgut nur die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen, eine Anbietungspflicht an ein Archiv bestand nicht mehr. Nachdem die Thüringischen Faser AG Schwarza 1993 in die Gesamtvollstreckung ging, wandte sich das Staatsarchiv Rudolstadt an den Liquidator und vereinbarte die Bewertung und Übernahme des Schriftguts durch das Staatsarchiv. Insgesamt wurden daraufhin von Mai bis September 1994 von den ursprünglich ca. 1000 laufenden Metern ca. 193,5 laufende Meter übernommen. Diese Akten wurden zwischen 1995 und 2014 erschlossen. Parallel dazu übernahm auch das Kreisarchiv Rudolstadt Akten von der Thüringischen Faser AG Schwarza.
Bis 2013 erfolgten weitere kleine Übernahmen, unter anderem wurden dem Staatsarchiv 2004 insgesamt acht Aktenbände von der BStU übergeben. 2013 wurde eine größere Menge Archivgut vom Kreisarchiv Saalfeld-Rudolstadt übernommen, darunter Tonbänder, Filme, Fotos, Brigadetagebücher und die betriebsgeschichtliche Sammlung. Die Unterlagen waren teilweise mit Erschließungsangaben versehen, teilweise erfolgte eine Erschließung im Staatsarchiv. 2020 erfolgte ein weiterer größerer Zugang zum Bestand durch eine Abgabe des Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung.
Die Sachakten wurden nicht gesperrt, personenbezogene Akten sind erst 90 Jahre nach der Geburt bzw. 10 Jahre nach Tod der betroffenen Personen zugänglich.
Während der Verzeichnung erfolgte eine Kassation der Doppelstücke.
Der Umfang des Bestandes beträgt nach der Verpackung der Akten 202,4 lfm.
Zitiervorschrift:
ThStA VEB Chemiefaserkombinat Schwarza (CFK) Nr. ...
Quellen und Literatur (Auswahl):
- Vornehmlich im Bestand VEB Chemiefaserkombinat Schwarza (CFK) lassen sich Akten finden, die Auskunft über die Werksgeschichte geben (Signaturen: 5449, 8340, 8342, 8350, 8371).
- Geschichtsverein Chemiestandort Schwarza e.V. (Hrsg.): Chronik Chemiestandort Schwarza. Hefte 1, 5, 7, 9 und 10, Rudolstadt 2008-2010.
- Christiane Backhaus: Der VEB Chemiefaserwerk Schwarza "Wilhelm Pieck" zwischen Chemieprogramm 1958 und Kombinatsbildung 1970. Magisterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra Artium (M.A.), Jena 2007.
- Erich Haucke: Auszug aus der Betriebschronik des VEB Chemiefaserwerk Schwarza "Wilhelm Pieck"" Rudolstadt, Rudolstadt 1975.
- Erich Haucke: Aus der Geschichte von Rudolstadt-Schwarza. Schwarza und sein Chemiefaserwerk, Rudolstadt 1974.
- Zirkel Schreibender Arbeiter im Auftrag der Betriebsparteiorganisaton des VEB Chemiefaserwerk Schwarza "Wilhelm Pieck", Rudolstadt (Hrsg.): Beiträge zur Betriebsgeschichte des VEB Chemiefaserwerk Schwarza "Wilhelm Pieck", Rudolstadt 1966.
Rudolstadt, im April 2014
Antje Hauschild