Vorwort

Geschichte der SED-Kreisleitungen
Der Kreis als Gebietseinheit im Staatsaufbau der DDR war neben dem Bezirk, der größten Gebietseinheit, eine wichtige Leitungsebene auf politischem, wirtschaftlichem und geistig-kulturellem Gebiet der Städte und Gemeinden. Die Funktionsweise und der organisatorische Aufbau der Partei entsprach dem staatlichen Leitungsaufbau des Prinzips des demokratischen Zentralismus. Die Gesamtleitung erfolgte von der obersten Regierungsebene bis in die Kreise, Städte oder Gemeinden.
Der Kreis galt deshalb als eine wichtige Leitungsebene im Parteiaufbau.
Die SED gliederte ihren Organisationsaufbau primär nach dieser territorialen Einteilung, verfügte aber auch über so genannte funktionale Kreisleitungen in den Industriebetrieben oder an Universitäten.
Analog darauf aufbauend wurde in jedem Kreis eine Kreisparteiorganisation gebildet. Diese wurden durch die hauptamtlichen SED-Kreisleitungen geführt. Ihnen gleichgestellt waren die SED-Stadtbezirksleitungen in den Großstädten.
Im Kreismaßstab war eines der wichtigsten Kettenglieder der Machtausübung der SED die enge Verknüpfung der Partei mit den staatlichen Organen. In der Praxis standen die Kreisleitungen über den staatlichen Räten der Kreise und sicherten letztendlich die Überführung, Realisierung und Umsetzung der Beschlüsse, Richtlinien und Anweisungen, hauptsächlich die der höheren Machtgruppen und ihrer Apparate im alltäglichen Leben.
In dieser Eigenschaft wurden im Rahmen ihrer Möglichkeiten eigene Beschlüsse gefasst, ?ohne die von oben aufzuheben, abzuändern oder zu kritisieren?.
Der Parteiaufbau wurde nach dem Territorial- und Produktionsprinzip gegliedert. Der Tradition der Kommunistischen Partei gemäß war der Arbeitsplatz (und nicht der Wohnort) ausschlaggebend für die Organisation der Mitgliedschaft (so genanntes ?Produktionsprinzip").
An der Spitze einer Kreisparteiorganisation stand die von einer Delegiertenkonferenz gewählte Kreisleitung. Die Kreisleitungen wählten entsprechend den Instruktionen des Sekretariats des Zentralkomitees der SED die Sekretäre und bildeten Sekretariate. In der Regel gehörten die Bürgermeister bzw. Kreisräte diesem Sekretariat an.
In einer Kreisparteiorganisation gab es wie in der gesamten Partei zwei Ebenen:
a) die gewählten Mitglieder und Kandidaten der Leitungsorgane,
b) der hauptamtliche Apparat politischer Mitarbeiter, unterstützt von technischen Angestellten.
Die Sekretariate der Kreisleitungen setzten sich wie folgt zusammen:
1. Sekretär und 2. Sekretär, Sekretär Agitation und Propaganda, Sekretär Wirtschaftspolitik (in Landkreisen gab es den Sekretär Landwirtschaft) und der Vorsitzende der Kreisparteikontrollkommission. Zu diesen hauptamtlichen Sekretären kamen mindestens noch folgende gewählte ehrenamtliche Sekretäre hinzu: der Vorsitzende des Rates des Kreises oder Stadtbezirkes, der Vorsitzende des FDGB-Kreisvorstandes und der 1. Sekretär der FDJ-Kreisleitung.

Einzelne Arbeitsbereiche bildeten die Frauenarbeit, Jugend und Sport, Agitation und Propaganda, Wissenschaft, Volksbildung, Kultur, Wirtschaft, Landwirtschaft (in den Landkreisen), Staat und Recht, Sicherheitsfragen, Westarbeit, Gesundheitspolitik, Internationale Verbindungen und die Kontakte zu den Blockparteien bzw. Zusammenarbeit mit der so genannten "Nationalen Front".
Die 1. Sekretäre der Kreisleitungen mussten durch das Sekretariat des Zentralkomitees bestätigt werden und waren explizit für die Zusammenarbeit mit der SED-Bezirksleitung und der Abteilung Wissenschaft im SED-Zentralkomitee verantwortlich.
Die 2. Sekretäre waren zuständig für die Organisation der Parteiarbeit, Mitgliederbewegung, Statistik, innerorganisatorische Kaderfragen und die Parteifinanzen. Er leitete auf den genannten Sachgebieten die Stellvertretenden Sekretäre der Grundorganisationen an.

Bearbeitungsbericht
Die nach 1990 stattgefundenen Verhandlungen zwischen dem Thüringer Ministerium für Wissenschaft und Kunst und dem Landesverband der PDS führten zu dem am 8. Juni 1993 abgeschlossenen Einbringungsvertrag für die ehemaligen SED-Bezirksparteiarchive Erfurt, Gera und Suhl. Mit diesem Vertrag übergab die PDS den regional zuständigen Staatsarchiven das Archiv-, Bibliotheks- und Sammlungsgut der SED-Bezirksleitungen.
Für die öffentliche Recherche der SED-Bestände über das ins Internet gestellte Archivportal Thüringen wurde der Bestand des SED-Kreisleitung Jena-Stadt retrokonvertiert.
Die bereits vorliegende Findkartei konnte in die Archivdatenbank unserer Einrichtung eingegeben werden.
Gleichzeitig erfolgte zur Erleichterung der Benutzung eine fortlaufende Nummerierung der Akten, da die alten Signaturen des Bezirksparteiarchives oftmals zu Fehlern in der Aktenbestellung oder Zitierweise führten. Die ursprünglichen Altsignaturen ?IV A-4/06/12? für Abt . IV SED, Periode A für 1963-1967 und 06 für den Kreis Jena Stadt wurden in laufende Nummern umsigniert. Das machte sich notwendig, weil oftmals mehrere Bände auf einer Karteikarte erfasst waren und sich die Zuordnung von konkreten Signaturen zu Akten erschwerte.
Das archivierte Material bestand zu etwa 60 % aus Protokollserien, beinhaltete aber auch Sachakten, Materialsammlungen und Einzelberichte.
Die Ablage der Protokolle der Kreisdelegiertenkonferenz erfolgte einzeln für jede Delegiertenkonferenz. Die Protokolle der Kreisleitungssitzungen wurden unter dem Titel ?Materialien und Protokolle der Kreisleitungssitzungen? erfasst. Weiterhin lagen Sekretariatsprotokolle und Informationsberichte an die Kreisleitung vor. Tendenziell erfolgte die Formulierung der Aktentitel in vereinheitlichter formalisierter Form.
Bandzählungen der Protokollserien wurden nicht erfasst. Einzelne Enthält-Vermerke wurden stark gekürzt und nur auf die wesentlichen Inhalte beschränkt
Bei der Datierung konnte neben der Jahresangabe vorwiegend der Monat angegeben werden. Die ersten Akten begannen 1947 während die Überlieferung 1989 endete.
Drei unverzeichnete Akteneinheiten wurden erschlossen und an das Ende des Bestandes gefügt.
Eine Zuordnung der Akten erfolgte in der vorhandenen Gesamtklassifikation, ohne Trennung der verschiedenen Legislaturperioden. Die technische Bearbeitung mit Umheftung in Schlauchhefter, Signaturaufkleber und Verpackung in Kartons wurde abgeschlossen

Rudolstadt, im Februar 2008


Andrea Steinbrücker
Archivamtfrau


Im Sommer 2017 wurden gezielt sämtliche Tagesordnungspunkte der Sitzungsprotokolle des Sekretariats der Kreisleitung erfasst. Die Auswahl beschränkte sich auf die folgenden Jahre:

1946-1949 (Zwangsvereinigung KPD und SPD, Gründung der DDR), 1953 (Aufstand 17. Juni), 1956 (Aufstand Ungarn, Physikerball an der FSU), 1959 (Bitterfelder Weg), 1961 (Mauerbau), 1963 (VI. Parteitag, NÖS), 1967-1968 (Studentenunruhen in Westeuropa (FSU?), Prager Frühling), 1969-1970 (Stadtumbau Jena), 1971 (Ablösung Walter Ulbrichts durch Erich Honecker, VIII. Parteitag, Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik), 1975 (KSZE), 1976 (Biermann-Ausweisung, Verhaftung Jürgen Fuchs, Renft-Verbot, IX. Parteitag), 1982-1983 (Jenaer Friedensbewegung, Ausbürgerung von Friedensaktivisten, u.a. Roland Jahn), 1989 (Mauerfall). Die Einzelerfassung übernahm Daniel Jähnichen.