Vorwort
Seit Herbst 1945 entstanden örtliche Komitees der gegenseitigen Bauernhilfe, die vorwiegend Neubauern organisierten. Diese schlossen sich im Frühjahr 1946 zu Landesvereinigungen zusammen. Auf dem Ersten Deutschen Bauerntag im November 1947 wurde in Berlin die "Zentralvereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe" gegründet, die sich 1950 mit dem "Zentralverband der landwirtschaftlichen Genossenschaften Deutschlands" zur "Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe / Bäuerliche Handelsgenossenschaften", VdgB/BHG, zusammenschloss. Ab 1957 nannte sich die Organisation nur noch VdgB. Sie gliederte sich in Orts-, Kreis- und Bezirksorganisationen. Die VdgB stellte als Massenorganisation Abgeordnete in Gemeindevertretungen und Kreistagen. Von 1949/52 bis 1963 und von 1986 bis 1990 war sie in Bezirkstagen sowie in der Volkskammer vertreten, in letzterer bildete sie mit zwölf Mitgliedern die kleinste Fraktion. 1988 hatte die VdgB ca. 645.000 Mitglieder. Ein außerordentlicher Bauerntag gründete im März 1990 den Bauernverband der DDR e. V. als Nachfolgeorganisation der VdgB. Die von der VdgB verwalteten Verarbeitungsbetriebe (Molkereien) wurden dem Raiffeisenverband übertragen.
Zunächst hatte die VdgB die Aufgabe, den Einfluss der Großbauern in den Dörfern zurückzudrängen und die Neubauern zu unterstützen, indem sie landwirtschaftliche Geräte in Maschinenhöfen sammelte und an Neubauern und Kleinbauern verlieh. Nach 1952 setzte sich die VdgB für eine schnelle Kollektivierung der Landwirtschaft ein. Das auf der Zentralen Delegiertenkonferenz 1984 verabschiedete Statut bezeichnete die Erhöhung der Produktivität in der Land- und Nahrungsgüterwirtschaft und die Überwindung der Unterschiede in den Lebensbedingungen in Dorf und Stadt als wesentliche Beiträge der VdgB zur Unterstützung der Agrarpolitik der SED.
Bearbeitung
Aufgrund eines Hinweises des Stadtarchivs Gera bargen Mitarbeiter des Staatsarchivs Rudolstadt im August 2001 die Unterlagen aus dem Keller des inzwischen aufgelassenen Gebäudes der VdgB in der Straße des Bergmanns. Der Zustand des Schriftguts, das lose auf dem Boden lag, war durch Bodenfeuchtigkeit bereits kritisch. Ein erheblicher Teil war bereits in Kompostierung übergegangen und von Regenwürmern (Lumbricidae) besiedelt. Aus den noch einigermaßen unversehrt vorliegenden Unterlagen wurden ca. 15 Laufmeter Schriftgut ausgewählt. Sofern man unter diesen Umständen von einer archivischen Bewertung sprechen kann, wurde bei der Auswahl ein besonderer Augenmerk auf Dokumente aus der Gründungsphase in den 1950er Jahren gelegt, wodurch Geschäftsberichte zahlreicher nach 1950 liquidierten Dorf- und Meliorationsgenossenschaften überliefert sind. Ein weiterer Schwerpunkt galt den wirtschaftlichen Aktivitäten der VdgB (Molkereigenossenschaften und Bäuerliche Handelsgenossenschaften) sowie der Überlieferung der SED-Betriebsparteiorganisation. Die Überlieferung aus den frühen 1990er Jahren dokumentiert die rasche Integration der VdgB in den Deutschen Bauernverband. In den Bestand floss neben den Unterlagen des VdgB-Bezirksvorstands Gera auch in geringem Umfang Registraturgut der Kreisvorstände Gera-Stadt und Gera-Land ein.
Nach der Bergung des Archivguts wurde dieses getrocknet und entmetallisiert. Letzteres war umso wichtiger, als wegen der feuchten Lagerung der Rost sich bereits deutlich sichtbar ins Papier eingefressen hatte. Die 2001 ergriffenen Maßnahmen waren insofern erfolgreich, als sich fünfzehn Jahre danach der Erhaltungszustand der Unterlagen nicht sichtbar verschlechtert hat.
Die inhaltliche Erschließung erfolgte im Frühjahr 2017. Ca. 0,2 lfm Akten des VdgB-Bezirksvorstands Suhl wurden an das zuständige Staatsarchiv Meiningen abgegeben. Einige Publikationen wurden in die Dienstbibliothek des Staatsarchivs integriert. Ca. 3,5 lfm wurden als wenig aussagefähiges Material oder wegen Doppelüberlieferung kassiert, sodass sich der Gesamtbestand des Schriftguts nunmehr auf 11,5 lfm beläuft.
Abkürzungsverzeichnis
BHG Bäuerliche Handelsgenossenschaft
LPG Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft
MG Molkereigenossenschaft
VdgB Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe
Rudolstadt im Mai 2017
Dr. Uwe Grandke
(Oberarchivrat)