Vorwort

Das Familienarchiv Waitz / Wagner vereint wertvolles Privatarchivgut der durch Verheiratung in verwandtschaftlicher Beziehung stehenden Familien Waitz, Wagner, Esche und Zumpe aus dem sächsisch-thüringischen Raum. Der Bestand besitzt einen Umfang von insgesamt 0,8 lfd. m Akten im zeitlichen Rahmen von 1696 bis 1988 (1995). Briefe, biographische Unterlagen und persönliche Aufzeichnungen einzelner Personen, einige auf die Familien bezogene amtliche Vorgänge und Ausfertigungen sowie die im Ergebnis intensiver genealogischer Studien nachfolgender Generationen entstandenen Korrespondenzen, Materialsammlungen, Stammtafeln, zusammenfassenden Ausarbeitungen und Familienchroniken bilden die inhaltlichen Schwerpunkte. Die folgenden komprimierten Informationen zur Familiengeschichte und zum Bestand sollen der Erleichterung der Arbeit mit den Archivalien dienen.

Der hauptsächlich in Thüringen ansässig gewesenen Familie Waitz entstammt als herausragender Vertreter Carl Friedrich Waitz. Er wurde als einziger Sohn des Gothaer Kammersekretärs und späteren Altenburger Kammerpräsidenten und Obersteuereinnehmers August Friedrich Waitz (1738 - 1813) und seiner Ehefrau Christiana Wilhelmina Dorothea Waitz geb. Schneider (1746 - 1779) 1774 in Gotha geboren. Noch als Kind kam er mit der Übersiedlung seines Vaters 1783 nach Altenburg. Den Jenaer Studienjahren 1791 bis 1795 in den Fächern Jura, Kameralwissenschaften, Naturwissenschaften und Philosophie folgte der Eintritt in den Altenburger Staatsdienst: ab 1799 Kammerarchivar bei der herzoglichen Kammerkanzlei, ab 1801 Rentsekretär, im Jahre 1813 Ernennung zum Herzoglichen Rat, 1823 zum Landkammerrat sowie 1831 zum Kammerrat und schließlich 1845 unter Ehrenernennung zum Geheimen Kammerrat die Versetzung in den Ruhestand. Dank der Leidenschaft für die Botanik avancierte Carl Friedrich Waitz zu einem der bedeutendsten Altenburger Naturforscher und Kenner der osterländischen Flora seiner Zeit. Er gehörte zu den Gründern der Pomologischen Gesellschaft zu Altenburg 1803, der Botanischen Gesellschaft zu Altenburg 1804 und der Naturforschenden Gesellschaft des Osterlandes 1817, die er auch auf den Jahresversammlungen der Naturforschenden Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte als Mitglied regelmäßig vertrat. Ihm zu Ehren benannte man eine Pflanzengattung Waitzia. Seit 1792 erwarb er sich zudem ehrenvolle Verdienste in der Altenburger Freimaurerloge "Archimedes zu den drey Reißbretern". Somit nahm Carl Friedrich Waitz bis zu seinem Tode im Jahre 1848 aktiv und prägend am politischen, geistig-kulturellen und wirtschaftlichen Leben in Stadt und Land Altenburgs teil. Seiner ersten Ehe mit Friedericke Magdalene Waitz geb. Trautwein (1776 - 1833) entstammt eine Tochter Marie Auguste Waitz (1816 - 1890). Sie heiratete 1834 den Notar und Advokaten Gustav Richard Wagner und schlägt an dieser Stelle die Brücke zur Altenburger Familie Wagner.
Bedeutender Vertreter der Familie Wagner, deren Vorfahren über mehrere Generationen hinweg das Fischereigewerbe im Erzgebirge betrieben, war der bereits genannte Gustav Richard Wagner. Er wurde 1809 als Sohn des Steuerrates Johann Friedrich August Wagner (1762 - 1830) und dessen zweiter Ehefrau Henriette Charlotte Christiane Wagner geb. Reichardt (1777 - 1850) in Altenburg geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Jena und Erlangen von 1827 bis 1830 und bestandenem juristischen Examen wurde er in Altenburg 1831 zum Notar und 1832 zum Advokat verpflichtet. Im Jahre 1842 trat Wagner in den Herzoglich Sachsen-Altenburgischen Justizdienst ein - zunächst als Landesjustizrat, dann Geheimer Justizrat und Appellationsgerichtsrat, 1862 Vicepräsident und 1876 Präsident des Appellationsgerichtes. Die juristische Fakultät der Universität Jena verlieh ihm 1868 die Ehrendoktorwürde in den Rechtswissenschaften. Durch die Berufung zum Senatspräsidenten an das gemeinschaftliche Oberlandesgericht Jena 1879 übersiedelte Gustav Richard Wagner mit seiner Familie nach Jena, wo er den Bürgerbrief der Stadt erhielt und im Jahre 1881 auch verstarb. Neben der beruflichen Tätigkeit soll gleichfalls sein parlamentarisches Wirken Würdigung finden. Stellvertretend hierfür seien die Abgeordnetentätigkeit im Berliner Reichstag des Norddeutschen Bundes und Deutschen Reiches von 1867 bis 1878 sowie die im Altenburger Landtag, zeitweilig auch in der Funktion des Landtagspräsidenten, von 1870 bis 1879 erwähnt. Aus der ehelichen Verbindung mit Marie Auguste Wagner geb. Waitz gingen insgesamt 9 Kinder hervor. Einziger Sohn darunter war der 1848 in Altenburg geborene und 1915 in Göschwitz bei Jena verstorbene Carl Friedrich Richard Wagner, den sein beruflicher Werdegang anfänglich ebenfalls in den Justizdienst, ab 1879 jedoch in den kommunalen Verwaltungsdienst bis hin zum Bürgermeister der Stadt Plauen von 1885 bis zur Pensionierung 1908 führte. Im Jahre 1882 hatte er sich mit Emma Maria Zumpe verheiratet. Dieser Ehe entsprossen eine Tochter, die jedoch bereits im frühen Kindesalter starb, und die zwei Söhne Karl Richard Wagner (1887 - 1970) und Johannes Gerhard (Hans) Wagner (1889 - 1981), die sich beide sehr intensiv um die Familienforschung mühten.
Emma Maria Wagner geb. Zumpe (1856 - 1945) war die Tochter des Baumeisters und Baurats Dr. phil. Karl Friedrich Heinrich Zumpe und seiner Ehefrau Emma Christiane Charlotte Zumpe geb. Esche (1813 - 1883). Karl Friedrich Heinrich Zumpe wurde 1816 in Bautzen geboren, bekleidete zunächst in Roda, dann in Altenburg in enger Verbindung zum Sachsen-Altenburgischen Herzogshause das Amt des Oberbauinspektors und starb 1876 in Altenburg. Sein Bruder Theodor Johannes Zumpe (1819 - 1864) betätigte sich als Kunstmaler und lebte zu diesbezüglichen Studienzwecken von 1857 bis 1860 in Italien und Rom, später dann in Dresden, wo er auch verstarb. Er verkehrte in angesehenen Künstlerkreisen, war u. a. Schüler von Julius Schnorr von Carolsfeld und wurde 1864 zum Ehrenmitglied der Königlich Sächsischen Akademie der bildenden Künste in Dresden ernannt.
Über Emma Christiane Charlotte Zumpe geb. Esche führt die Verbindung zu der im sächsischen Limbach-Oberfrohna und Chemnitz beheimateten Unternehmer- und Kaufmannsdynastie Esche, die sich mit der Fabrikation und dem Handel von Strumpf-, Seide- und Wollwirkwaren beschäftigte. Johann(es) Esche (1682 - 1752) konstruierte beispielsweise nach englischem Vorbild Strick- und Wirkmaschinen, gründete in Limbach eine Fabrik und trug damit zur Herausbildung und weiteren Entfaltung eines wesentlichen Industriezweiges in Sachsen bei.


Im Jahre 1994 konnten dank eines Hinweises von Herrn Dr. Hartmut Baade, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Naturkundlichen Museum Mauritianum Altenburg, über das Vorhandensein von Familienarchivalien mit mehreren in Herborn, Bad Ems, Berlin und Solingen wohnhaften Nachfahren der Familie Wagner Kontakte und Verhandlungen aufgenommen werden. Die Übernahme des Bestandes in das Staatsarchiv Altenburg erfolgte dann auf dem Wege der Schenkung durch Frau Erika Venema-Wagner und Herrn Michael Wagner von Juni 1995 bis Oktober 1997 in drei Ablieferungen.
Im Hinblick auf die hervorzuhebende und durchaus nicht nur regionale Bedeutung einiger Familienvertreter auf den Gebieten der Natur- und Rechtswissenschaften, der politischen Geschichte, der Kunst und Wirtschaft galt es, den Bestand durch eine nach archivwissenschaftlichen Grundsätzen fachgerechte Bearbeitung so bald als möglich der Benutzung und Auswertung zuführen zu können. Von Februar bis Mai 1999 erfolgte deshalb durch die Verfasserin die Ordnung und Verzeichnung der Archivalien unter gleichzeitiger Datenerfassung und Findbucherstellung über das EDV-Programm AUGIAS-ARCHIV.
Der Bestand wies zum einen durch die einzelnen Ablieferungen und zum anderen durch die von den Schenkenden selbst aufgestellten, sehr detaillierten Inhaltslisten eine gute Vorordnung auf. Darauf basierend und unter Beachtung der familiären Schwerpunkte und Verwandtschaftsbeziehungen entstand eine Ordnung des Familienarchivs nach 4 Klassifikationsgruppen, diese teils weiter untergliedert (vgl. hierzu das vorangestellte Inhaltsverzeichnis). Innerhalb der Klassifikationsober- und -untergruppen befinden sich die Aktenbände in einer sachlich-chronologischen Ordnung - ausgehend von den allgemeinen Familienpapieren und der Familienforschung hin zur Überlieferung einzelner Familienmitglieder.
Verschiedene Schreibweisen von Personennamen wurden, vor allem auch hinsichtlich der Datenerfassung, auf eine Form vereinheitlicht. Im Aktentitel und Enthält-Vermerk erscheinen zwecks leichterer Identifizierung einer Person stets alle zu ihr bekannten Vornamen und die entsprechenden Lebensdaten jeweils beim erstmaligen Vorkommen in der zugehörigen Klassifikationsgruppe. Dem Findbuch ist ein Personenregister beigefügt.
Im Mai 2022 schenkte Herr Michael Wagner aus Solingen dem Archiv nachträglich einige weitere Unterlagen seines Vorfahren Gustav Richard Wagner, darunter zwei Fotoalben aus dessen beruflicher und parlamentarischer Tätigkeit. Diese konnten zeitnah Anfang Juni 2022 dem Familienarchiv zugeordnet werden.

Das Familienarchiv Waitz / Wagner stellt eine äußerst wertvolle Bestandsergänzung für das Staatsarchiv Altenburg dar und bietet sehr interessante Auswertungsmöglichkeiten für die lokale, regionale und durchaus auch überregionale Geschichtsforschung. Gerade die originalen privaten Zeugnisse der schon eingangs in ihrer Bedeutung auf den Gebieten von Natur- und Rechtswissenschaft, Politik, Kunst und Wirtschaft gewürdigten Personen leisten neben den im Archiv dazu behördlicherseits, im ganzen jedoch recht gering überlieferten Quellen einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Darstellung des Gesamtbildes einer Persönlichkeit oder Familie.
Diverse Originalschriften geben zunächst allgemein Auskunft zu Familiengeschichte, -ereignissen und -leben. Unter naturwissenschaftlichem Aspekt und dem Blick auf die Person Carl Friedrich Waitz besitzen seine Briefe und Reisebeschreibungen, hauptsächlich während der Teilnahme an den Jahresversammlungen der Naturforschenden Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, sowie die eigenhändigen biographischen Aufzeichnungen besondere Bedeutung. Für den Juristen Gustav Richard Wagner sind gleichfalls Dokumente aus dem privat-familiären Bereich, seine Privatakten zum beruflichen Werdegang und eigenhändige, auch tagebuchartige Aufzeichnungen über die Abgeordnetentätigkeit in den Parlamenten von Altenburg und Berlin hervorzuheben. Als sehr inhalts- und aufschlussreich kann der Briefwechsel von Karl Friedrich Heinrich Zumpe betrachtet werden, zum einen in der dienstlichen Tätigkeit als Oberbauinspektor mit Herzog Joseph und Prinz Moritz von Sachsen-Altenburg und zum anderen ganz privat mit seiner Frau Emma Christiane Charlotte Zumpe geb. Esche und seinem Bruder Theodor Johannes Zumpe, darunter vor allem die Briefe aus der Zeit dessen Italien- und Romaufenthaltes. Kalligraphisch eindrucksvoll zeigt sich zugleich die Ernennungsurkunde für den Bruder als Kunstmaler zum Ehrenmitglied der Königlich Sächsischen Akademie der bildenden Künste in Dresden. Anhand der zur Unternehmer- und Kaufmannsfamilie Esche vorhandenen, in überwiegendem Maße sekundären Quellen ergeben sich einige Auswertungsmöglichkeiten zur Wirtschaftsgeschichte. Außerdem stellen die durch die Brüder Karl Richard und Johannes Gerhard Wagner unter Nutzung der Vorarbeiten ihrer Ahnen favorisiert zusammengetragenen Materialsammlungen, u. a. mit Wappenzeichnungen, Stammtafeln und einigen wenigen Porträtfotos, sowie erarbeiteten Waitz'- und Wagner'schen Familienchroniken für die weitere genealogische Nutzung sehr gute Quellen dar.
Abschließend sei der Hinweis gegeben, daß sich im Staatsarchiv Altenburg seit 1961 ein zweiter, für die regionale Geschichtsforschung wichtiger Bestand eines ebenso bedeutenden Mitgliedes der Wagner'schen Familie befindet. Es ist der Bestand "Wagners Kollektaneen" - eine 34 handschriftliche Foliobände umfassende Sammlung von Urkundenabschriften und Daten zur Geschichte des Herzogtums Sachsen-Altenburg einschließlich dazugehöriger Registerbände des Geheimen Regierungs- und Finanzrates Carl August Friedrich Wagner (1792 - 1859), des Stiefbruders von Gustav Richard Wagner aus der ersten Ehe seines Vaters Johann Friedrich August Wagner mit Christiane Friedericke Luise Wagner geb. Pabst (1766 - 1795).

Für die Zitierung des Bestandes ist folgende Vorgabe zu verwenden:
Landesarchiv Thüringen - Staatsarchiv Altenburg, Familienarchiv Waitz / Wagner Nr. ...
In Abkürzung:
LATh - StA Altenburg, FA Waitz / Wagner Nr. ...



Quellen- und Literaturauswahl zum geschichtlichen Teil:
- Familienarchiv Waitz / Wagner Nr. 3, 6, 8, 44, 56, 68
- Pomologische Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg Nr. 31 (Ehrendiplome und Mitgliedsurkunden verschiedener naturwissenschaftlicher, landwirtschaftlicher, botanischer und obstbaukundlicher Vereine für Kammerrat Carl Friedrich Waitz 1794, 1803 - 1844)
- Dr. Gustav Richard Wagner (1809 - 1881): Senatspräsident, Mitglied des Reichstages / Theodor Günther. - Köln, 1988 (Bibliothek M 629)
- Altenburger Köpfe: C. F. Waitz / Norbert Höser. - In: TLZ. - (1992-05-30). - S. 11
- Freimaurer in der NFGdO - ihre Stellung, ihre Leistungen / Hartmut Baade. - In: NFGdO Naturwissenschaftliches aus dem Osterlande. - Altenburg, (1993)3. - S. 16 - 32. - (Schriftenreihe der Naturforschenden Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg e. V.)
- Altenburger Geschichte im Spiegel von neu erworbenem Privatarchivgut - eine Auswahl / Joachim Emig. - In: Archive in Thüringen: Mitteilungsblatt / Hrsg. im Auftrag des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur. - (1998)15. - S. 19 - 20
- Jugendstil in Chemnitz: Die Villa Esche von Henry van de Velde / Georg Brühl. - München: Bayerische Vereinsbank, 1991 (Bibliothek 147/1999)



Altenburg, im Mai 1999 und Juni 2022 Undine Puhl