Vorwort

Der VEB Ernst-Thälmann-Werk, in Suhl kurz und bündig ETW genannt, wurde 1954 gegründet. Bereits zwei Jahre zuvor hatte man versucht, die zahlreichen Vorgängerbetriebe der Suhler Waffenindustrie in eine Art Kombinat unterzubringen, was sich aber als Strukturform in der DDR zunächst nicht durchsetzen konnte. So unternahm man 1954 einen neuen Anlauf zur Konzentration der Suhler Waffenindustrie. Namensgeber war der 1944 in Weimar-Buchenwald von den Nationalsozialisten ermordete Führer der KPD, Ernst Thälmann (1886-1944). Allerdings hatte man den Namen Thälmann schon seit 1946 für die unter Sequester gestellte Fa. Waffenfabrik C.G. Haenel Suhl verwendet. Insgesamt wurden 1954 unter dem Namen VEB Ernst-Thälmannwerk Suhl folgende traditionsreiche Suhler Waffenfirmen vereinigt:
Fa. C.G. Haenel, ab 01.07.1948 als VEB MEWA Ernst-Thälmann-Werk (Produktionsbereich I)
Fa. Sauer & Sohn, ab 01.01.1951 als VEB MEWA Fortuna-Werk (Produktionsbereich II, Schmiede Steinsfeld IV)
Fa. Gebr. Merkel, ab 01.01.1951 als VEB MEWA Gebrüder Merkel (Produktionsbereich III)
Fa. Greifelt & Co., ab 01.01.1951 als VEB MEWA Jagdwaffen und Lehrenbau (zunächst Produktionsbereich II a, später als Produktionsstätte aufgelöst und ins Fortuna-Werk übernommen)
Fa. Otto Reif, Betrieb in Treuhandverwaltung, 1951 in das Fortuna-Werk eingegliedert, (Produktionsbereich V)

Schwerpunkte der Produktion des neuen ETW, welches sich auf dem Firmengelände der ehemaligen Betriebe Sauer und Haenel etabliert hatte, waren zunächst Jagdwaffen, Luftgewehre, Sportgewehre, Lehren, Druckluftgeräte, Schmiedeerzeugnisse sowie Schreib-und Nähmaschinen. Erst etwas später kamen dann wieder Militärwaffen hinzu, die ja in den Vorgängerfirmen, insbesondere bei Haenel und Sauer, eine lange Tradition besaßen. Da es für die junge DDR durchaus problematisch war, sich zum Bau von Militärwaffen zu bekennen, bezeichnet man die gesamte, besonders gesicherte Produktionslinie, als "spezielle Produktion". Neben dem Bau deutscher Produkte, wie z.B. dem vom ehemaligen Haenel-Konstrukteur Hugo Schmeisser (1894-1952) entwickelten Sturmgewehr 44, wurden in den 1950er und 1960er Jahren auch verstärkt Waffen sowjetischer Bauart (AK 47, Pistole Makarow) produziert. Mit dem Rückgang der sogenannten zivilen Produktion (z.B. Nähmaschinen) wurde die Jagdwaffenproduktion als Devisenbringer verstärkt ausgebaut.
Am 10.12.1968 wurde der Betrieb per Regierungsbeschluss mit dem VEB Fahrzeug- und Gerätewerk Simson Suhl zum Großbetrieb VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Ernst Thälmann, abgekürzt Fajas, vereinigt und ging damit 1970 im Zuge der 2. Welle von Kombinatsbildungen als Betriebsteil Werk 2 in das neu gegründete IFA Kombinat für Zweiradfahrzeuge ein.
Nach der politischen und gesellschaftlichen Wende 1989/90 wurden beide Unternehmen wieder getrennt und versuchten sich in der Marktwirtschaft zu behaupten, was insgesamt gesehen fehlschlug.
Die Akten des ehemaligen VEB ETW Suhl bzw. Werk 2 wurden im September 1991 vom zuständigen Treuhandverwalter des Unternehmens Herrn Gerling dem Staatsarchiv Meiningen zur Übernahme angeboten. Diese Akten befanden sich völlig unbearbeitet noch in den Räumen der alten Sauer-Produktionsstätte am Viadukt und mussten wegen Räumung der Betriebsstätte dann überstürzt in das Archivdepot Suhl gebracht werden. Relativ kurzfristig entschied man sich dann, auch die zahlreichen Waffenbücher der Vorgänger und des ETW zu übernehmen, was ursprünglich nicht angedacht worden war. Der Bestand VEB ETW wurde 1998/1999 von der Zeitkraft Gitta Faulstich ohne die Waffenbücher erschlossen. In Vorbereitung einer Präsentation für amerikanische Waffenexperten wurden die Waffenbücher von Dr. Hans-Jürgen Fritze im Jahr 2008 ehrenamtlich verzeichnet. Für die beabsichtigte Onlineeinstellung des Findbuches wurden die 1293 Verzeichnungsseinheiten des Gesamtbestandes (knapp 28,00 lfm) im Frühjahr 2017 von Ronny Renner komplett überarbeitet und systematisiert.

Dr. Norbert Moczarski