Vorwort
1. Institutionengeschichte
Von 1902 bis 1915 stand der belgische Maler, Architekt, Designer und Kunstreformer Henry van de Velde in Weimar in den Diensten des Großherzogs Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach. Seine Berufung als Berater für Kunstgewerbe mit dem Ziel, Handwerk und Industrie im Großherzogtum künstlerisch zu heben, hatte mit den von ihm initiierten Gründungen des Kunstgewerblichen Seminars und der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule weitreichende Folgen für die Förderung des Kunstgewerbes in Sachsen-Weimar-Eisenach und die künstlerische Ausbildung auf diesem Gebiet. Das von ihm eingeführte Werkstattprinzip ermöglichte eine praxisnahe kunstgewerbliche Ausbildung, die nach 1919 mit zum Vorbild für das neue Ausbildungskonzept des Staatlichen Bauhauses wurde.
Auf der Grundlage eines am 1. Februar 1902 von Henry van de Velde unterschriebenen Dienstvertrages mit dem Leiter der Schatullverwaltung des Großherzogs, aus dessen Privatvermögen der Künstler seitdem bezahlt wurde, begann dieser am 1. April 1902 - an diesem Tag wurde er vom Großherzog zusätzlich zum "Professor des Kunstgewerbes" ernannt - seine Tätigkeit in der Residenzstadt Weimar. Als Aufgaben wurden vertraglich festgehalten, sich über die gewerblichen und kunstgewerblichen Verhältnisse im Großherzogtum zu informieren, Gutachten in kunstgewerblichen Angelegenheiten zu erstatten, den Gewerbetreibenden im Land sachverständigen Beirat zu erteilen und künstlerische Anregungen zu geben sowie Fach- und Musterausstellungen zu veranstalten und durch Vorträge anregend zu wirken.
Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, richtete van de Velde das von ihm privat betriebene Kunstgewerbliche Seminar in Weimar ein, das ab 15. Oktober 1902 im "Prellerhaus" hinter dem Kunstschulgebäude eröffnet wurde. Es war die Anlaufstelle für die Kunstgewerbebetriebe im Großherzogtum, unterhielt ein Büro zur Erteilung von Auskünften, Ratschlägen und Korrekturen und umfasste Werkstätten und Ateliers mit Zeichnern und Modelleuren. Daneben führte er ein Privatatelier für Architektur und Inneneinrichtung, in der seine Privataufträge als Architekt und Designer erledigt wurden.
Früh erkannte Henry van de Velde, dass der organisierte Unterricht im Kunsthandwerk, ja die kunstgewerbliche Ausbildung überhaupt im Großherzogtum neu zu gestalten waren. Seine Vorstöße gipfelten im Dezember 1904 in dem Vorschlag an den Großherzog, eine "Schule für Handwerkskunst" zu errichten. Die Entscheidung darüber wurde im Zusammenhang mit den Bauabsichten des Großherzogs für ein Ateliergebäude für Bildhauer erleichtert, weil sich dadurch auch die Raumfrage positiv beantworten ließ. Das nach den Plänen Henry van de Veldes 1905/06 erbaute Ateliergebäude für die Bildhauerschule und die spätere Kunstgewerbeschule wurde im Oktober 1906 übergeben. In die ihm zugewiesenen Räume dieses Gebäudes verlegte van de Velde nunmehr das private Kunstgewerbliche Seminar und sein Privatatelier aus dem "Prellerhaus" und begann mit der Einrichtung von Werkstätten, die er schrittweise zu einem privaten Kunstgewerblichen Institut zusammenfasste, das seit 3. April 1907 einen Kursus für kunstgewerbliches Zeichnen und ab 7. Oktober 1907 in erweiterter Form kunstgewerblichen Unterricht auf privater Basis anbot. Damit war aber noch nicht die künftige Kunstgewerbeschule konstituiert.
Die Vorbereitungen für die spätere Großherzogliche Kunstgewerbeschule, die durch die grundlegende Finanzierung aus der Privatschatulle des Großherzogs dessen private Gründung blieb, begannen im Laufe des Jahres 1906. Das Ministerialdepartement des Großherzoglichen Hauses legte Ende April 1906 Entwürfe für Satzungen, für eine Verwaltungsordnung und für das Schema eines Jahresvoranschlags vor. Erst am 28. März 1908 kam es zur abschließenden Beschlussfassung über die Gründungsdokumente der Kunstgewerbeschule, zu denen die Satzungen, eine Verwaltungsordnung, die Schulordnung und der Studienplan gehörten. Nunmehr wurden der Verwaltungsauschuss konstituiert sowie der Etatentwurf beraten und festgestellt.
Nachdem auch der Landtag für die geplante Ausbildungseinrichtung im Staatshaushalt 1908 bis 1910 einen staatlichen Zuschuss bewilligt hatte, erfolgte die eigentliche Gründung der Kunstgewerbeschule zum 1. April 1908 mit der Verkündung der Satzungen als Ministerialbekanntmachung im Regierungsblatt. Sie sollte "der theoretischen und praktischen Ausbildung von Kunsthandwerkern dienen und das Kunstgewerbe des Großherzogtums fördern". Nach diesen Satzungen nannte sie sich offiziell Großherzogliche Kunstgewerbeschule, weil sie eine Privatanstalt des Großherzogs und keine staatliche Lehranstalt wie die Kunstschule war, die seit ihrer Verstaatlichung 1902 Großherzoglich Sächsische Kunstschule hieß. Den größten Etatposten trug der Großherzog aus seiner Privatschatulle, hinzu kamen ein Beitrag aus den staatlichen Mitteln zur Förderung des Kunsthandwerks sowie Zuschüsse der Handelskammer und der Handwerkskammer des Großherzogtums, der Stadtgemeinden Apolda, Ilmenau, Jena und Weimar und der Jenaer Firmen Carl Zeiss und Schott und Genossen.
Am 14. März 1908 Schloss das Ministerialdepartement des Großherzoglichen Hauses, das nunmehr die behördliche Aufsicht über die Kunstgewerbeschule führte, einen neuen Dienstvertrag mit Henry van de Velde als Direktor der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule ab. Künftig waren Satzungen und Verwaltungsordnung der Schule maßgebend für seine Tätigkeit als Leiter der Schule. Der neue Dienstvertrag wiederholte allerdings auch alle Beratungsaufgaben, die ihm bei seiner Berufung sechs Jahre zuvor übertragen worden waren und für die er bisher im Kunstgewerblichen Seminar tätig geworden war. Außerdem regelte er die Benutzung der Räume "in dem neu errichteten Gebäude für das Kunstgewerbe", seine jährliche Vergütung auf der Grundlage des Schuletats, die Finanzierung der gemeinschaftlichen Angestellten der Kunstgewerbeschule und des Kunstgewerblichen Seminars (Sekretär und Modelleur) sowie die Abführung des Schulgeldes aus dem Kunstgewerblichen Seminar an die Kasse der Kunstgewerbeschule. Die Dauer des Vertragsverhältnisses wurde zunächst auf zwei Jahre festgesetzt und verlängerte sich danach mit einer beiden Vertragspartnern zustehenden halbjährigen Kündigungsfrist zur Mitte (31. März) bzw. zum Ende des Schuljahres (30. September).
Eine Modifikation in der Zweckbestimmung trat bei dem schon länger bestehenden privaten Kunstgewerblichen Seminar ein. Hier sollten nunmehr "die Schüler der Kunstgewerbeschule die letzte Ausbildung erhalten, nachdem sie den vierjährigen Kursus der Schule durchgemacht haben". Die Beratungstätigkeit Henry van de Veldes gegenüber Handwerk und Industrie hingegen wurde in die Kunstgewerbeschule verlagert, die fortan in der öffentlichen Wahrnehmung dominierte. In dem ihr beigegebenen besonderen Verwaltungsausschuss waren neben den Staats- und Hofbehörden der Gemeindevorstand von Weimar, die Direktoren der Kunstschule bzw. Hochschule für bildende Kunst und der Museen in Weimar sowie Vertreter der Handelskammer und der Handwerkskammer. im Großherzogtum, letztere alle von außerhalb (Apolda, Eisenach, Ilmenau, Ruhla), präsent. Der Direktor der Kunstgewerbeschule nahm mit beratender Stimme an dessen Sitzungen teil, die sich vor allem mit den jährlich wiederkehrenden Haushalts- und Personalfragen beschäftigten, aber auch die von van de Velde aufgeworfenen Entwicklungsprobleme und vor allem die Zukunftsfragen einer sich über die Landesgrenzen hinaus zu bewährenden Lehranstalt thematisierten.
Das administrative Personal der Kunstgewerbeschule bestand neben Henry van de Velde als Direktor aus dem Sekretär und einem Kasse- und Rechnungsführer, die ebenfalls am 1. April 1908 ihre Tätigkeit aufgenommen hatten. Der Lehrkörper war nicht durchgängig in allen notwendigen Lehrfächern besetzt. Ihm gehörten Lehrer für kunstgewerbliches Zeichnen, für Modellieren, Keramikarbeiten und Porzellanmalerei, für Ziselieren und Metallarbeiten, für Weberei, Teppichknüpfen und Kurbelstickerei sowie für Ornamentzeichnen und Farbenunterricht, aber auch für Edelmetall- und Emaillearbeiten an. Besonders ausgebaut war die Buchbinderausbildung, für die es zusätzlich spezielle Fach- und Abendkurse zur technischen und künstlerischen Weiterbildung gelernter Buchbinder gab. Die Kunstgewerbeschule hatte in den geschaffenen Werkstätten zunächst mit Werkmeistern begonnen: in der Buchbinderei, in der Teppichknüpferei, in der Weberei, in der Keramischen Abteilung und in der Metallabteilung. Ab Schuljahr 1910/11 wurden die Werkstätten von den jeweiligen Fachlehrern geleitet.
Das Unterrichtsprogramm der Kunstgewerbeschule zielte auf die künstlerische Ausbildung für einzelne gewerbliche Berufszweige und vermittelte praktische Fertigkeiten in den kunstgewerblichen Arbeitsweisen. Die grundlegenden Ausbildungsfächer des Fachunterrichts waren kunstgewerbliches Zeichnen und Modellieren, zu denen die praktischen Unterweisungen und Arbeiten in den vorhandenen Werkstätten kamen. Zur Aufnahme an die Schule genügten der Nachweis zeichnerischer Fähigkeiten und eine wenigstens den Zielen der Volksschule entsprechende allgemeine Vorbildung. Beim Verlassen der Schule erhielten die Schülerinnen und Schüler ein einfaches Abgangszeugnis. Nach vierjähriger erfolgreicher Ausbildung konnten sie im Kunstgewerblichen Seminar unter persönlicher Anleitung des Direktors die "letzte Ausbildung" in speziellen Ateliers erhalten, so dass sie nach einem weiteren Jahr dort mit einem Diplom die Kunstgewerbeschule abschließen konnten.
Mit dem am 7. Oktober 1907 begonnenen "Vorsemester" im Kunstgewerblichen Institut Henry van de Veldes bis zur Schließung der Kunstgewerbeschule zum Ende des Schuljahres 1914/15 am 30. September 1915 (Unterrichtsschluss 31. Juli 1915) zählte die Kunstgewerbeschule insgesamt 383 eingeschriebene Schülerinnen und Schüler (153 Schüler und 230 Schülerinnen). Hinzu kamen von 1911 bis 1915 noch 62 Fach- und Abendschüler der Buchbindereiabteilung, worunter aber auch eingeschriebene Kunstgewerbeschüler waren.
Über den Zustand und die Tätigkeit der Kunstgewerbeschule berichten die gedruckten Jahresberichte, von denen insgesamt sechs vorliegen, die sich jeweils auf ein Schuljahr (Winter- und Sommersemester) beziehen. Der erste Jahresbericht umfasst für die Zeit von der offiziellen Gründung am 1. April 1908 bis 30. September 1909 allerdings drei Semester. Danach wird der übliche Schuljahresrhythmus mit Winter- und Sommersemester vom 1. Oktober bis zum 30. September des folgenden Jahres in den Jahresberichten erfasst. Sie enden mit dem Schuljahr 1913/14. Das letzte Schuljahr 1914/15 wurde in dieser Weise nicht mehr dokumentiert. Aus diesen Jahresberichten ist ein anschauliches Bild von der Wirksamkeit der Kunstgewerbeschule in Weimar und darüber hinaus zu gewinnen. Immer wiederkehrende Abschnitte sind die Tätigkeit des Verwaltungsausschusses, die Finanzierung der Schule, Schulgeldfreistellen und Unterstützungen, der Schulbesuch, die Personalsituation, die praktische Ausbildung in den Werkstätten, Unterricht und Kurse, die Lehrmittelsammlung und die Bibliothek, Studienreisen, Ausstellungen, Wettbewerbe und Preisausschreiben, Besichtigungen, Schenkungen und sonstige Mitteilungen.
Seit 1910 gab es Bemühungen des Direktors, die Kunstgewerbeschule räumlich und personell zu vergrößern, ihr auch durch deren Verstaatlichung eine dauerhafte Basis der finanziellen Sicherung und inhaltlichen Weiterentwicklung der Ausbildung zu schaffen. Die seit 1912 eingeleiteten Verhandlungen mit den zuständigen Staatsbehörden zwecks künftiger Übernahme auf den Staat führten aber nicht zum gewünschten Ziel, zumal der Ausbruch des 1. Weltkrieges den weiteren Schulbetrieb beeinträchtigte. Auch die zur stärkeren materiellen Fundierung der Schule eingeleiteten Maßnahmen, neben den Eigeneinnahmen an Schulgeld durch den in den Werkstätten aufgenommenen Gewerbebetrieb größere finanzielle Einnahmen für die Schule zu erwirtschaften, verbesserten die Lage der von Anfang an unterfinanzierten Lehranstalt nicht. Van de Veldes letzter Reorganisationsversuch von 1915 zielte auf die Umgestaltung der Schule in ein nur noch aus den Werkstätten bestehendes neues "kunstgewerblichen Institut" unter Verzicht auf den außerhalb der Werkstätten angebotenen Schulunterricht.
Alle Überlegungen und Bemühungen seit 1910 führten nicht zu greifbaren Ergebnissen, wofür wohl vor allem die Konstruktion einer überwiegend aus der Privatschatulle des Großherzogs finanzierten Lehranstalt verantwortlich war. Hinzu kamen zunehmendes Desinteresse des Großherzogs an dieser Einrichtung, auch sich steigernde persönliche Ressentiments gegen den Direktor, die den Regenten bereits im Frühjahr 1913 bewogen hatten, einen Nachfolger für van de Velde zu finden. Dieser erklärte nach für ihn enttäuschenden Reaktionen auf seine Denkschrift vom 27. Mai 1914 an den Großherzog über die Zukunft der Kunstgewerbeschule am 25. Juli 1914 seinen Rücktritt von der Direktion, wodurch das Vertrags Verhältnis zum 1. April 1915 als gelöst zu betrachten war. Er ließ sich dann aber noch bewegen, die Leitung der Kunstgewerbeschule bis Schuljahresende 1914/15 zum 30. September 1915 fortzuführen.
Im März 1915 wurde van de Velde vom aufsichtsführenden Ministerialdepartement des Großherzoglichen Hauses aufgefordert, die Dienstverhältnisse der Lehrkräfte und sonstigen Angestellten der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule vorsorglich zum 1. Oktober 1915 aufzukündigen, dem er notgedrungen nachkam. Der Unterricht endete wie in jedem Schuljahr am 31. Juli 1915. Bereits danach begann die Abwicklung der Schule, mit der ihr Sekretär, Paul Kämmer, beauftragt worden war. Die Großherzogliche Kunstgewerbeschule unter Henry van de Velde beendete am 30. September 1915 ihre kurze Geschichte seit der Gründung am 1. April 1908. Endgültig fand sie ihr Ende aber erst 1919, als das Hofmarschallamt, dem im Dezember 1918 die Zuständigkeit für die künstlerischen Anstalten in Weimar übertragen worden war, am 23. Juni 1919 das Feststellungszeugnis für die letzte Jahresrechnung der Kunstgewerbeschule vom 1. Oktober 1914 bis 1. Oktober 1915 mit Anhang für die Zeit bis 31. Dezember 1917 ausfertigte. Zu dieser Zeit fand sie sich bereits virtuell wieder in dem Untertitel des seit April 1919 existierenden neuen Staatlichen Bauhauses zu Weimar: "Ehemalige Großherzogliche Sächsische Hochschule für bildende Kunst und ehemalige Großherzoglich Sächsische Kunstgewerbeschule in Vereinigung".
2. Überlieferungsgeschichte
Für die Archivierung der Akten der Hof- und Staatsbehörden vor 1918 im damaligen Großherzoglichen Haupt- und Staatsarchiv zu Weimar bildeten die einschlägigen Ministerialerlasse aus dieser Zeit die gesetzliche Grundlage. Für die nachfolgende Zeit des Freistaates Sachsen-Weimar-Eisenach und des 1920 gegründeten Landes Thüringen war es die Thüringische Archivordnung vom 15. April 1932, die bestimmte, dass alle bei thüringischen Behörden seit 1920 entstandenen und archivreif gewordenen Akten dem Thüringischen Staatsarchiv Weimar [heute Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar] zu übergeben sind. Dazu zählten auch die dem Thüringischen Ministerium für Volksbildung nachgeordneten Kunstlehranstalten, wie sie in den Staatshandbüchern des Landes von 1926 und 1931 verzeichnet waren, selbstredend auch deren Vorgänger- und Nachfolgeeinrichtungen.
Bis 1945 wurden in mehreren Aktenablieferungen - vor allem 1940 und 1941 - aus den nach 1930 zusammengefassten Hochschulen für Baukunst, bildende Künste und Handwerk in Weimar die Registraturen der älteren Kunstlehranstalten an das Thüringische Staatsarchiv Weimar übergeben. Nachträge dazu gelangten erst über zwei Jahrzehnte später als Ablieferung der Hochschule für Architektur und Bauwesen in das Staatsarchiv. Auf Grund der archivgesetzlichen Regelungen des Landes Thüringen befinden sich alle Akten der bis 1945 bestandenen Kunstlehranstalten im Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar. In das heutige Archiv der Bauhaus-Universität, das auf der Grundlage der Archivgesetzgebung der DDR am 25. Juni 1959 an der damaligen Hochschule für Architektur und Bauwesen eingerichtet wurde, ist lediglich das Registraturgut der seit 1946 wiedereröffneten Staatlichen Hochschule für Baukunst und bildende Künste und deren Nachfolger übernommen worden.
Aus der schon vor 1945 im heutigen Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar vorhandenen archivalischen Überlieferung zu den älteren Kunstlehranstalten - Großherzoglich Sächsische Kunstschule (ab 1910 Großherzoglich Sächsische Hochschule für bildende Kunst), Großherzogliche Kunstgewerbeschule und Staatliches Bauhaus Weimar wurden weitaus später drei Archivbestände gebildet. Die übernommenen Akten blieben zunächst in Kisten verpackt und wurden erst nach 1949 in einer ersten sehr provisorischen Verzeichnung erfasst und mit vorläufigen Signaturen versehen. Die 1959 veröffentlichte "Übersicht über die Bestände des Thüringischen Landeshauptarchivs Weimar" dokumentiert noch den ungeordneten und unverzeichneten Gesamtbestand dieser Überlieferung unterschiedlicher Provenienzen von 1860 bis 1930, die inhaltlich als "Geschäftsakten, zumeist der Großherzoglichen Kunstschule und des Staatlichen Bauhauses", bezeichnet und deren Umfang mit 15 laufenden Metern angegeben wurde.
Erst 1962/63 fand eine weitergehende Erschließung durch Dr. Ruth Böckel statt, die eine Trennung nach Provenienzen und damit die Bildung und Abgrenzung von Archivbeständen zum Ziel hatte. Die 2006/07 vorgenommene erneute Intensiverschließung erfolgte durch Professor Volker Wahl.
Zu konstatieren ist, dass sich auf Grund der in den zurückliegenden Jahrzehnten mehrfach erfolgten Erschließungsarbeiten Umfang und Ordnung der Akten in diesen Archivbeständen und deren Signaturen gegenüber dem heutigen Zustand teilweise verändert haben, so dass Quellennachweise daraus in älteren Forschungsarbeiten jeweils zu hinterfragen sind.
3. Inhalt und Bedeutung für die Forschung
Die Archivbestände der Weimarer Kunstlehranstalten im Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar stellen bedeutende und weit über die Kulturgeschichte dieser Stadt und des Landes Thüringen hinausgehende Quellenüberlieferungen dar, die als Ausgangspunkt für die Erforschung kulturell-künstlerischer Entwicklungen in bildender Kunst, Design und Architektur in Deutschland beim Aufbruch vom 19. zum 20. Jahrhundert unverzichtbar sind. Ihr Informationsgehalt ist noch längst nicht ausgeschöpft, was in der Vergangenheit zum Teil auch am Erschließungszustand der Bestände selbst gelegen hat. Dieser Zustand kann durch die zusätzliche Intensiverschließung 2006/07 und die Veröffentlichung eines Spezialrepertoriums der Archivbestände als überwunden gelten.
Der nicht umfangreiche Archivbestand Großherzogliche Kunstgewerbeschule dokumentiert mit den überlieferten Akten aus der Registratur der Schule selbst, aber auch aus amtlichen Akten, die mit Henry van de Veldes Beratungstätigkeit im institutionellen Verbund mit dem von ihm geschaffenen, aber privat betriebenen Kunstgewerblichen Seminar und dem Kunstgewerblichen Institut zusammenhängen, die Förderung und Entwicklung des Kunstgewerbes sowie die Ausbildungsformen auf diesem Gebiet im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach nach 1900. Diese Verhältnisse schlagen sich in den Aktengruppen über die Maßnahmen zur Förderung von Handwerk und Industrie sowie in denen der Werkstätten mit ihren Geschäftsbeziehungen zu entsprechenden Firmen und Personen nieder, wobei es keine Trennung für die Zeit vor und nach Gründung der Kunstgewerbeschule gibt.
Die seit 1908 bestehende Kunstgewerbeschule mit ihrer allgemeinen Leitungs- und Verwaltungstätigkeit, vor allem auch mit den Personalangelegenheiten des Lehrkörpers und der sonstigen Angestellten sowie mit der Zusammensetzung der Schülerschaft, ist im Archivbestand breit dokumentiert. Mit Blick auf die Gesamtgeschichte der Kunstgewerbeschule mit ihren Vorläufern muss allerdings festgestellt werden, dass für die Ermittlung von Schlüsseldokumenten der Entwicklung die korrespondierenden Archivbestände herangezogen werden müssen, wie das die Edition zu Henry van de Velde 2007 erfolgreich getan hat. Die Registratur der bereits 1915 geschlossenen Lehranstalt ist nicht mehr vollständig überliefert, wobei keine Kenntnis über eingetretene Verluste herrscht. So befinden sich Unterlagen über die Berichterstattung und die gedruckten Jahresberichte der Kunstgewerbeschule nicht im vorliegenden Archivbestand.
4. Korrespondierende Überlieferung im Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar
Zum Kunstgewerblichen Seminar ab 1902 sowie zur Großherzoglichen Kunstgewerbeschule ab 1908 exisiert eine durchgehende Bandreihe von Akten im Zusammenhang mit dem Bau des Kunstgewerbeschulgebäudes im Bestand Hofmarschallamt. Hinzu kommen einige Einzelakten im Bestand Staatsministerium, Departement des Großherzoglichen Hauses. Gar nicht mehr vorhanden sind die beim Ministerialdepartement des Innern geführten Akten zu diesen Einrichtungen, da sie in Bad Sulza verbrannt sind. Dieses Departement hatte aber in seiner Zuständigkeit für Gewerbeangelegenheiten, auch im Hinblick auf die Ausbildung von handwerkern, einen größeren Einfluss auf die Umsetzung der Vorshcläge Henry van de Veldes. Bis auf seine an anderer Stelle aufbewahrten Inspektionsberichte an den Großherzog aus den Jahren 1902 bis 1904 sind alle anderen immediatberichte an den Regenten als Ausfertigung Kriegsverlust. Dies gilt auch für die bei der Großherzoglichen Schatullverwaltung geführten Akten, die bei der Zerstörung des Gebäudes im februar 1945 in Weimar verloren gingen.
5. Literatur
-Von der Kunstschule zum Bauhaus. Spezialrepertorium zu den Archivbeständen der Kunstlehranstalten in Weimar. Bearbeitet von Dagmar Blaha, Frank Boblenz und Volker Wahl. Weimar 2008 (Repertorien des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar Band 4). Dieser Band enthält neben den Erschließungsangaben zu den Akten der drei frühen Kunstlehranstalten in Weimar (Großherzoglich Sächsische Hochschule für bildende Kunst, Großherzogliche Kunstgewerbeschule; Staatliches Bauhaus Weimar) eine umfangreiche Einleitung zur Institutionen- und Überlieferungsgeschichte sowie ein beständeübergreifendes Personenregister. Die Einleitung des Spezialreportoriums bildet die Grundlage dieses Vorwortes, geht jedoch bestandsübergreifend darüberhinaus.
- Volker Wahl, Henry van de Velde in Weimar. Dokumente und Berichte zur Förderung von Kunsthandwerk und Industrie (1902-1915), Weimar 2007.
6. Zitierweise
Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar, Großherzogliche Kunstgewerbeschule Weimar Nr. , Bl. […]
Für das Archiv kann die Abkürzung LATh - HStA Weimar verwendet werden.
Beispiel: LATh - HStA Weimar, Großherzogliche Kunstgewerbeschule Weimar Nr. 2, Bl. 5