Vorwort

A Behördengeschichte
Mit der Bildung des Gesamtstaates Thüringen sah sich das Staatsministerium im Rahmen des Aufbaues einer zentralen Landesverwaltung vor die Notwendigkeit gestellt, ein für den Einheitsstaat zuständiges statistisches Amt zu bilden. Es konnte dabei auf bereits bestehende Einrichtungen dieser Art zurückgreifen. 1864 wurde in Jena auf Initiative und unter Leitung des Volkswirtschaftlers Bruno Hildebrand ein "Statistisches Büro Vereinigter thüringischer Staaten" gebildet, das zunächst alle Einzelstaaten außer Reiß ältere Linie umfasste. 1872 trat Reuß ä. L. bei, während Sachsen-Meiningen sowie Coburg und Gotha ausschiedenund eigene statistische Büros errichteten. Nach dem Tod Hildebrands 1878 wurde das Büro nach Weimar verlegt und einem Referenten des Departements des Innern unterstellt. Seit dem 1. Januar 1913 führte es die Bezeichnung "Thüringisches Statistisches Amt".
Dieses Amt sowie das Statistische Amt in Meiningen und das Statistische Landesamt in Gotha bildeten die Vorgängerbehörden, aus denen mit Wirkung vom 17. Mai 1921 das Thüringische Statistische Landesamt beim Ministerium des Innern unter Leitung des Regierungsrates Dr. Johannes Müller hervorging. Des Weiteren ging die statistische Abteilung des Thüringischen Wirtschaftsministeriums in dieses Amt ein.

In einer Denkschrift des Thüringischen Ministeriums des Innern (vgl. ThHStAW, Thür. Wirtschaftsministerium, Nr. 885) wurden die Aufgabenbereiche des Statistischen Landesamtes bereits in der Form vorgeschlagen, welche dann durch Landtagsbeschluss Anfang 1922 festgelegt wurden:
- Beschaffung des von den thüringischen Einzelministerien angeforderten Zahlenmaterials,
- Durchführung der vom Reich angeforderten statistischen Arbeiten,
- Beschaffung und Bearbeitung von statistischem material außerhalb bestimmter Anforderungen,
- Herausgabe von statistischen Veröffentlichungen.

Nach der Einsetzung Dr. Johannes Müllers, des bisherigen Leiters der statistischen Abteilung des Wirtschaftsministeriums, als Leiter des Statistischen Landesamtes unternahm die Universität Jena mit Unterstützung des Ministeriums für Volksbildung den Versuch, eine Professur für Statistik einzurichten und mit Müller zu besetzen. Der Vorschlag, das Landesamt nach Jena zu verlegen, damit Müller sich neben der Leitungstätigkeit im Statistischen Landesamt besonders den Aufgaben an der Universität widmen könne, fand bei der Thüringischen Regierung keine Zustimmung.

Das Thüringische Statistische Landesamt war seit seiner Gründung dem Ministerium des Innern eingegliedert. Es war zunächst in der Allgemeinen Abteilung A verankert, bis es sich Ende 1922 als ein eigener Strukturteil mehr verselbstständigt hatte. Auf Beschluss des Staatsministeriums vom 20. Februar 1923 erscheit es bereits als eigene Abteilung G. Es war in Anbetracht der über alle Ressorts hinausgreifenden Aufgabenstellung folgerichtig, dass es mit Wirkung vom 1. April 1924 aus dem Innenministerium herausgelöst und der Präsidialabteilung des Staatsministeriums eingegliedert wurde. Müller blieb als nunmehriger Referent und vortragender Rat weiterhin dessen Leiter. Den Schriftwechsel mit zentralen Stellen des Reichs und der Länder führte die Präsidialabteilung; das Statistische Landesamt war nur befugt, die Korrespondenz in statistisch-technischen Angelegenheiten selbst zu führen. DieBestrebungen Müllers nach größerer Befugnis , die u. a. im Entwurf einer eigenen Geschäftsordnung zum Ausdruck kamen, wurden zurückgewiesen.
Die eigenartige Stellung des Statistischen Landesamtes - im Staatshandbuch für Thüringen von 1926 wird die Unterstellung nicht näher bezeichnet und 1931 erscheint es als dem Staatsministerium eingegliedert - wird durch die beschränkte Selbstständigkeit und durch die nicht eindeutig zu erfassende Unterstellung gekennzeichnet. Man gewinnt den Eindruck, dass die Befugnisse zum Teil mit von den persönlichen Verhältnissen seines Leiters zu den ihm übergeordneten Beamten abhängig waren. Bis zu seiner Auflösung 1945 verblieb es in der Präsidialabteilung.

Der territoriale Bereich, auf den sich die Arbeit erstreckte, war das im Gemeinschaftsvertrag der thüringischen Staaten zusammengeschlossene und durch Reichsgesetz vom 23. April 1920 bestätigte Gebiet, welches die ehemaligen thüringischen Einzelstaaten außer Coburg umfasste. Als in der Zeit des Nationalsozialismus für einige Behörden (u. a. Landesamt für Rassewesen, Gauwirtschaftskammer Thüringen) die Grenzen des Gaues Thüringen den räumlichen Zuständigkeitsbereich ergaben, wurde auch vom Statistischen Landesamt der Versuch unternommen, 1938 die Zuständigkeit auf den Gau - also einschließlich der preußischen Gebietsteile des Regierungsbezirkes Erfurt und des Kreises Schmalkalden - zu erweitern. Da das einen Eingriff in die Hoheit der Länder bedeutet hätte und auch verwaltungstechnisch nicht ohne Schwierigkeiten zu lösen war, kam es nur für einige Bereiche der Statistik zu der erwünschten Regelung (vgl. ThHStAW, Thür. Statistisches Landesamt Nr. 17).
Nach der Zerschlagung des Faschismus mussten auch Inhalt und Zielsetzung der Arbeit des Statistischen Landesamtes ein anderes Gesicht bekommen, das den Anforderungen des antifaschistisch-demokratischen Neuaufbaus entsprach. Am 12. Juli 1945 wurde durch Beschluss des Regierungskollegiums des Landes Thüringen das bisherige Amt in eine höhere Landesbehörde mit der Bezeichnung "Land Thüringen, Statistisches Amt" umgewandelt (Regierungsblatt für das Land Thüringen, 1945, S. 23).
Dr. Hans Herz


B Bestandsgeschichte
Der Aktenbestand Thüringisches Statistisches Landesamt im Umfang von 5 lfm wurde 1950 an das Thüringische Landeshauptarchiv abgegeben. Durch Kriegseinwirkungen im Februar 1945 war Schriftgut der Behörde, deren Sitz der ehemalige Zeughof in Weimar war, vernichtet worden. Der erhaltene Bestand spiegelt also nicht dengesamten Umfang der Tätigkeit der Behörde wieder.
Die Ordnung wurde nach dem Aktenplan des Landesamtes vorgenommen. Die Dienststelle besaß eine zentrale Registratur am Sitz der Geschäftsstelle, ein Aktenplan war vermutlich bereits während der Unterstellung unter das Innenministerium eingeführt worden. Die Ziffer der Aktengruppe bildet zusammen mit der nach einem Komma angefügten Ziffer für die einzelne Akteneinheit die Signaturder einzelnen Akte. Die Ordnung des Bestandes gibt somit die Registratureinteilung der Behörde wieder.
Der Bestand wurde 1961 von der Praktikantin der Fachschule für Archivwesen Potsdam, R. Wallenburger, unter Anleitung des Archivars Dr. Hans Herz geordnet und verzeichnet. Das Findbuch bildete die Grundlage für die Retrokonversion.