Vorwort

Mit der Durchführung der Bodenreform wurden in der Sowjetischen Besatzungszone und damit auch im Gebiet des heutigen Landes Thüringen ab Herbst 1945 sämtliche landwirtschaftlichen Güter mit einer Größe über 100 Hektar beschlagnahmt und entschädigungslos enteignet. Darunter fiel auch das Rittergut Mihla mit dem Grauen und Roten Schloss.

Das Graue Schloss war seit 1436 Stammsitz der Familie von Harstall. Später kam weiterer Besitz - etwa das Rote und Blaue Schloss sowie das Vorwerk Sandgut - hinzu. 1895 wurde das Rote Schloss an den Jenenser Nervenarzt Professor Otto Binswanger verkauft. Nach 1918 wechselten dann mehrmals die Besitzer. Das Graue Schloss ging 1943 im Zuge einer Erbteilung auf die Schwiegersöhne der letzten noch blühenden Linie der Familie von Harstall über. Im Februar 1945 starb mit Georg Ludwig Ernst das Geschlecht von Harstall in männlicher Linie aus.

Eine Liste enteigneter Güter im Kreis Eisenach vom Herbst 1945 führt Wolff von Gudenberg und einen Herrn Große-Brauckmann als letzte Besitzer des Gutes auf. Beide waren Schwiegersöhne der Familie von Harstall. Handschriftlich vermerkt das Verzeichnis weiter, dass "angeblich keine Archivalien" zum Gut vorhanden sind.

Dennoch gelangten 1947 Archivalien aus dem ehemaligen Gutsarchiv im Umfang von 5,5 laufenden Metern in das Thüringische Staatsarchiv. Am 28. Juli übernahm der hiesige Archivar Dr. Wolfgang Huschke die Akten vom sowjetischen Major Klug, der sich in Weimar aufhielt. Die genaueren Umstände der Sicherung und Überführung des Archivguts konnten nicht ermittelt werden. Wahrscheinlich war das Archiv 1945 von der Sowjetischen Militäradministration Thüringens beschlagnahmt worden. Die Bestandsübersicht von Hans Eberhardt (Übersicht über die Bestände des Thüringischen Landeshauptarchivs Weimar, Weimar 1959,) nennt dagegen irrtümlich das Jahr 1946 als Zugangsjahr mit 4 laufenden Metern. Ein Ablieferungsverzeichnis oder sonstige Findmittel aus der damaligen Zeit werden nicht vermerkt.

Im Herbst 1960 erfolgte die Verzeichnung und Ordnung des Bestands (Nr. 1-705) durch Frau Dr. Ruth Böckel unter Anleitung von Herrn Dr. Ernst Müller.

Im Jahre 2002 kamen weitere 1,5 laufende Meter des ehemaligen Rittergutsarchivs Mihla in unser Haus, die bis dahin unverzeichnet im Landeskirchenarchiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Eisenach verwahrt wurden. Der Weg der Akten in das Landeskirchenarchiv konnte nicht recherchiert werden.
Diese Unterlagen wurden mit dem EDV-Programm "AUGIAS-Archiv" (Version 7.3) neu verzeichnet, in säurefreie Jurismappen verpackt, kartoniert und dem bisherigen Bestand angegliedert (Nr. 706-944). Die Klassifikation des ursprünglichen Bestands wurde beibehalten.

In diesem Zusammenhang wurde eine Retrokonvertierung der bisherigen Findkartei in die Archivdatenbank "AUGIAS-Archiv" (Version 7.3) und eine Bestandsrevision vorgenommen. Offensichtliche Fehler im Aktentitel und der Laufzeit wurden korrigiert und Bandreihen bei gleichen Betreffs neu gebildet. Der Gesamtbestand beläuft sich daher auf 1797 Archivalieneinheiten. Die Signaturen 579, 580, 581, 583 und 698 sind nicht belegt. Der Gesamtumfang beträgt nunmehr 7 laufende Meter.

Mit der Übernahme von 2002 wurde der "Altbestand" lediglich ergänzt und einige Lücken konnten geschlossen werden. Inhaltlich ordnet er sich in die bisherige Überlieferungsstruktur ein. Damit ist die Wiedergabe wesentlicher Passagen der Findkarteneinleitung von 1960 gerechtfertigt, da sie auf den Gesamtbestand zutrifft:

"[...] Der Bestand beginnt mit dem Jahre 1430 und endet 1945. Die Akten des 18. Jahrhunderts füllen das ganze Jahrhundert, jedoch für die anderen Jahrhunderte ist der Bestand mehr oder weniger lückenhaft. Er enthält in der Hauptsache lose Akten, in nur geringem Maße sind die Schriftstücke geheftet. Im allgemeinen sind die Akten gut erhalten und mit alten Signaturen versehen, die aber zu verschiedenartig und lückenhaft sind, um Aufschluss über die einstige Ordnung zu geben.
[...] Bei der Gliederung der Kartei wurde davon ausgegangen, drei Hauptgruppen zu bilden: I. Rechtsangelegenheiten, II. Gutsverwaltung und III. Familienangelegenheiten. Die Kartei sollte daher erst nach der Provenienz geordnet werden. Dabei ergab sich, dass erst nach dem Inhaltlichen ohne Rücksicht auf die Provenienz-Bezeichnung sortiert werden musste, weil die verschiedenen Rechtsangelegenheiten nicht nur vor den Harstallschen Gesamtgerichten zu Mihla verhandelt wurden, sondern auch vor der Regierung Eisenach oder innerhalb der Familie Harstall und ihrer Verwandten.
Nach dem Ordnen der Kartei zeigte sich, dass die Aktenstücke mit der Provenienzbezeichnung "Harstallsche Gesamtgerichte zu Mihla" größtenteils in der Abteilung I (Rechtsangelegenheiten) aufgingen oder sich in die Abteilung II (Gutsverwaltung) einfügten. In der Abteilung II finden sich nicht nur die Akten über die Bewirtschaftung des Gutes, sondern auch die über Angelegenheiten der allgemeinen Gutsverwaltung. Die Abteilung III umfasst alle Familiensachen derer von Harstall und ihrer Nebenlinien. Die Abteilungen I bis III sind unter sich in Sachgruppen aufgegliedert worden. Dabei nimmt die Abteilung I den größten Umfang ein.

Die Familie von Harstall kaufte 1436 das Rittergut Mihla, ein Mann-Lehngut der Landgrafen von Thüringen, aus dem Besitz Friedrichs von Wangenheim. Das Sandgut in Mihla erwarben die von Harstall als fuldaisches Lehen. Die Familie von Harstall gliederte sich später in zwei Linien, in die Creuzburger und Diedorfer Linie auf. Ihre Besitzungen lagen im westlichen Thüringen und reichten bis Hessen-Nassau. Sie umfassten nach den vorhandenen Akten die Güter Mihla, Creuzburg, Berteroda, Wernershausen, Frankenroda, Ifta, Groß- und Altenburschla, Clausberg, Schrecksbach sowie das Salzwerk Salzungen.
Mitglieder der Familie standen zeitweise in italienischen, ungarischen und russischen militärischen Diensten. Häufige Erbauseinandersetzungen, gegenseitige Ansprüche und daraus entstandene Familienverträge füllen die im Verhältnis zu den beiden anderen Abteilungen der Kartei umfangreichste Abteilung Rechtsangelegenheiten [...]".

An Literatur wurden benutzt: Enders, Liselotte: Ordnungsprobleme bei Guts- und Familienarchiven im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam, in: Archivmitteilungen X(1960)3, S. 96-106; Schwineköper, Berent: Das "Gutsarchiv" als Archivtypus, in: Archivar und Historiker. Festschrift zum 65. Geburtstag von Heinrich Otto Meisner, Berlin 1956, S. 72-88; Lehfeldt, Voss: Bau- und Kunstdenkmäler Thüringen, Sachsen-Weimar-Eisenach III,1, Verwaltungsbezirk Eisenach I, Jena 1915, S. 508-533."

Weitere Informationsquellen zur Familie und zum Rittergut: Genealogisches Handbuch des Adels, Adelslexikon Band IV, Limburg: Starke 1978, S. 453; Lämmerhirt, Rainer: Die Familie von Harstall in Westthüringen, Mihla 1990.


Die Zitierweise erfolgt beispielhaft folgendermaßen:
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Rittergut Mihla Nr. 1, Bl. 1r.
Als Abkürzungen für das Archiv können ThHStAW oder ThHStA Weimar verwendet werden.

Die Retrokonversion erfolgte durch Doris Wagner, das Findbuch erstellte Iris Lemser und die Überarbeitung und Neuverzeichnung übernahm Volker Graupner.

Weimar, Juni 2007

gez. Volker Graupner