Vorwort

Die Firma Haenel war 1840 vom Fabrikenkommissar Carl Gottlieb Haenel mit Unterstützung des preußischen Staates als offene Handelsgesellschaft gegründet worden. Sie hatte die Aufgabe, neben der Produktion von Gewehren, auch die Ausbildung von Millitärwaffenmeistern zu organisieren, da es zum damaligen Zeitpunkt keine staatlichen Gewehrfabriken gab. Die anfängliche Gewehrproduktion bei Haenel betrug pro Jahr 2000 Gewehre. Die Belegschaft überschritt in den ersten Jahrzehnten die zahl von 150 Mann nicht. Infolge des Zurückgehens von Aufträgen aus dem militärischen Bereich wandte man sich nach 1850 auch der Produktion von Scheiben- und Jagdwaffen zu. Nach dem Eintritt von Carl Wilhelm Aydt (1847-1923) im Jahr 1887 als Revisor und Schießmeister in die Haenelsche Gewehrfabrik begann die Produktion der von ihm 1884 entwickelten Scheibenbüchse mit Vertikalblockverschluss, die als Haenel-Orginal-Aydt-Scheibenbüchse über Jahrzehnte der Verkaufsschlager für Haenel war. Fast alle europäischen Waffenfirmen übernahmen in der Folgezeit dieses System bei der Produktion von Scheibenbüchsen. In den Jahren 1870 bis 1890 wurden dann wieder vorwiegend Militärwaffen hergestellt (sogenannte Karabinerzeit), so 1871-1876 das Modell 71 und 1890-1892 das Modell 1888. Anfang der 1890er Jahre wurden bereits ca. 850 Arbeitskräfte beschäftigt. Infolge der Bildung staatlicher Gewehrfabriken in Preußen ließ ab Mitte der 1890er Jahre die Auftragsproduktion an Militärwaffen stark nach. Deswegen musste das Unternehmen auf nichtmilitärische Fertigprodukte ausweichen.Als eine der ersten Firmen in Deutschland nahm es Mitte der 1890er Jahre die Fahrradproduktion auf. Bis 1914 schwankte die Beschäftigtenzahl zwischen 300 und 500 Arbeitskräften. Während des 1. Weltkrieges stellte das Unternehmen vorzugsweise in Zusammenarbeit mit der Firma J. P. Sauer &Sohn Suhl das Gewehr 98 und Maschinengewehrteile her. Die Belegschaft wuchs in diesem Jahr auf 1000 Arbeitskräfte an. Nach dem 1. Weltkrieg wurde die Fertigung von Fahrrädern zunächst wieder ausgebaut. Zusätzlich wurde ab 1926 die Fabrikation von Luftgewehren und Automobilteilen (vor allem. für Daimler Benz) aufgenommen. Zur Mitte der 1920er Jahre wurde die Fa. C.G. Haenel Waffen- und Fahrradfabrik Suhl umstrukturiert und in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. Zur gleichen Zeit stiegen die Gebrüder Hugo und Hans Schmeisser als leitende Angestellte in die Firma ein. Hugo Schmeisser konzentrierte sich nach 1925 verstärkt auf die Entwicklung von Waffen, um das wichtigste Standbein der Firma zu stärken. Im Mittelpunkt stand dabei die Weiterentwicklung der ersten Maschinenpistole der Welt, der MP 18 zur MP 28. Trotz des geschäftlichen Erfolges der MP 28 geriet die Firma C.G. Haenel Waffen- und Fahrradfabrik Ende der 1920er Jahre vollends in die wirtschaftlichen Turbulenzen der Weltwirtschaftskrise. In den Jahren 1929 bis 1934 stand deshalb die Firma mehrmals vor dem Konkurs. Das änderte sich in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre, als die Firma, von den Nationalsozialisten protektiert, verstärkte Rüstungsaufträge erhielt. Mit dem späteren Sturmgewehr 44 entwickelte in dieser Zeit Hugo Schmeisser die modernste Schnellfeuerwaffe seiner Zeit. In den Kriegsjahren lief bei C.G. Haenel aber nicht nur die Entwicklung von neuen Infanteriewaffen auf vollen Touren, sondern ein ganzes Fertigungsprogramm an militärischen Waffen bzw. Waffenteilen, aber auch in geringer werdendenStückzahlen Sport- und Ausbildungswaffen. Im August 1943 erreichte das Werk mit 1821 Beschäftigten die höchste Belegschaftszahl seit Bestehen der Firma. Die in diesen Jahren auf vollen Touren laufende Rüstungsproduktion beschert der Firma Haenel hohe Gewinne. Im Jahr 1944 erreichte sie einen Rekordgewinnumsatz von 27.420.000 RM. Am 3. April.1945 besetzten amerikanische Truppen die Stadt Suhl. Für alle Waffenwerke wurde ein sofortiges Produktionsverbot verhängt. Mitte Juli 1945 wurde dann im Haenel-Werk auf Betreiben des sowjetischen Kommandanten der Stadt Suhl wieder eine zivile Produktion aufgenommen. Grundsätzlich wurde von der sowjetischen Besatzungsmacht die Fertigung von Fahrrädern, Fahrradteilen, Automobilen und Luftgewehren freigegeben. Im Verlauf der nächsten Monate produzierten die auf 113 Arbeiter zusammengeschrumpfte Belegschaft vor allem Federkästen für Schulkinder, Haushaltsartikel und Doppelflintenläufe. Im Zusammenhang mit der Durchführung der SMAD-Befehle 124/126 vom 30/31.10.1945 wurde dann das Haenel-Werk am 8. Januar 1946 unter Sequester gestellt. Mit dem Befehl Nr. 21 der SMA Thüringen vom 18. Januar 1946 wurde zudem der Betrieb Fa. C.G. Haenel in die Jagdgewehrproduktion der Suhler Firmen eingegliedert und produzierte damit erstmals nach dem Krieg wieder offiziell Waffen. Seit dem 26. Februar 1946 trug der Betrieb den Beinamen "Ernst Thälmann".

Der durch zahlreiche Verluste dezimierte Aktenbestand des Unternehmens zwischen 1837 und 1970 wurde 1980 auf der Grundlage der VO über das staatliche Archivwesen der DDR von 1976 an das Thüringische Staatsarchiv Meiningen übergeben. Erhebliche Bestandslücken weist der Bestand insbesondere für die Zeit vor 1920 auf Die Erschließung des Gesamtbestandes wurde bereits vor 1980 von Brigitte Voigt und Axel Schneider im Betriebsarchiv des VEB Kombinat Fajas Suhl vorgenommen und von Dr. Norbert Moczarski 2001 korrigiert und ergänzt. Eine Retrokonvertierung in Augias 8.1. erfolgte 2012. Die Systematisierung für die Findbuchherstellung nahm 2013 der wiss. Mitarbeiter, Thomas Eifert, M.A. vor.