Vorwort
Das 1919 in Weimar entstandene und dort bis 1926 bestehende Staatliche Bauhaus gehört zu den bedeutendsten Kunstschulen der europäischen Moderne. Als künstlerische Lehranstalt, der bis 1925 Walter Gropius als Direktor vorstand, stellte es institutionell zunächst lediglich die Fortführung der 1860 geschaffenen Großherzoglichen Kunstschule, die 1902 verstaatlicht wurde und seit 1910 die Bezeichnung Großherzoglich Sächsische Hochschule für bildende Kunst trug, dar, obwohl in dieser neuen staatlichen Kunstlehranstalt von Anfang an Reformideen der künstlerisch-handwerklichen Ausbildung an die Stelle des bisher gepflogenen kunstakademischen Unterrichts traten. Die neuenImpulse kamen von der Kunstgewerbeschulentwicklung in Deutschland, zu der die von 1908 bis 1915 in Weimar existierende Großherzogliche Kunstgewerbeschule unter Henry van de Velde entscheidend beigetragen hatte. "Das Staatliche Bauhaus führte die Entwicklung, die in den letzten Jahrzehnten durch die Gründung der Kunstgewerbeschulen begonnen war, weiter", resümierte dessen Direktor Gropius im März 1924. "Die Berücksichtigung und Anwendung der Erfahrungen aus der Organisation der bisherigen Akademien und Kunstgewerbeschulen führte […] zu der besonderen Art der Organisation des Staatlichen Bauhauses als eines neuartigen Institutes. Zum ersten Mal wurde eine bisherige Akademie und eine bisherige Kunstgewerbeschule zusammengelegt."
Die Aufsicht über die Lehranstalt führte bis zum Juli 1919 das Hofmarschallamt in Weimar. Danach ging die Zuständigkeit auf das Kultusministerium des Freistaates Sachsen-Weimar-Eisenach (später Kultusabteilung der Gebietsregierung) über. Erst seit Mai 1922 unterstand das Staatliche Bauhaus dauerhaft dem nach der Landesgründung vom 1. Mai 1920 neu aufgebauten Thüringischen Ministerium für Volksbildung. In das Eigentum des Landes Thüringen ging es sogar erst ab 1. April 1923 über, nachdem es bis dahin noch zu den Kunst- und Erinnerungsstätten des nunmehrigen Gebietes Weimar in der Nachfolge des Freistaates Sachsen-Weimar-Eisenach eigentümlich gehört hatte.
Die Werkstätten des Staatlichen Bauhauses wurden neben den aus der Hochschule für bildende Kunst vorhandenen Einrichtungen der graphischen Druckerei und des Bildhauerateliers (Steinbildhauerei) neu geschaffen, zunächst durch Übernahme der privat geführten Werkstätten von Helene Börner (Weberei) und Otto Dorfner (Buchbinderei), dann durch gezielte Neueinrichtung: 1919 von Werkstätten für Wandmalerei und Metallarbeiten (Metallwerkstatt), 1920/21 für Töpferei, Holzbildhauerei und Tischlerei, 1922 für Glasmalerei (Glaswerkstatt). Bereits 1921 entstand auch eine Bühnenwerkstatt, für die allerdings nur eine künstlerische Lehrkraft zuständig war, während in allen anderen Werkstätten die Werkmeister die eigentlichen Werkstättenleiter waren. Später kam auch noch ein Produktivbetrieb hinzu. Bis auf die Buchbinderei, die 1922 durch den Austritt von Otto Dorfner aus dem Bauhaus, dort nichtmehr existierte, verblieben alle Werkstätten bis 1925/26 im Bestand des Staatlichen Bauhauses.
Die insbesondere in bürgerlich-konservativen Kreisen unter kulturpolitischen, pädagogischen und ästheti-schen Prämissen bestehenden Vorbehalte gegen das Staatliche Bauhaus und die Finanznot des Landes Thüringen führten 1924 dazu, dass die Arbeitsverträge des Direktors und der Bauhausmeister zum 31. März 1925 gekündigt wurden. Am 26. Dezember 1924 hatten Direktor (Walter Gropius) und Meisterrat (Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Gerhard Marcks, Adolf Meyer, László Moholy-Nagy, Georg Muche, Oskar Schlemmer) des Staatlichen Bauhauses aus dieser perspektivlosen Situation die für sie gültigenSchlußfolgerungen gezogen und in einem Offenen Brief verkündet, dass mit dem Ablauf ihrer Dienstverträge auch das "aus ihrer Initiative und Überzeugung entstandene Bauhaus" für aufgelöst zu erklären ist. Daraufhin teilten Mitarbeiter und Studierende der Landesregierung am 13. Januar 1925 mit, dass sie mit dem "erzwungenen Fortgang der leitenden Personen" das Bauhaus gleichzeitig verlassen würden. Mit dem 31. März 1925 endete das Staatliche Bauhaus in Weimar unter der Direktion von Walter Gropius, der danach eine neue private Lehranstalt unter dem Namen Bauhaus in Dessau eröffnete. In der Folge erhielt Otto Bartning den Auftrag, die bisher unter dem Namen Staatliches Bauhaus bestehende Kunstschule zu reformieren, und schuf daraus das "andere Bauhaus", die Staatliche Hochschule für Handwerk und Baukunst, mit deren Eröffnung zum Sommersemester 1926 (1. April) das Weimarer Bauhaus endgültig sein institutionelles Ende gefunden hatte.
Bis 1945 wurden in mehreren Aktenablieferungen - vor allem 1940 und 1941 - aus den nach 1930 zusammengefassten Hochschulen für Baukunst, bildende Künste und Handwerk in Weimar die Registraturen der älteren Kunstlehranstalten an das Thüringische Staatsarchiv Weimar übergeben. Nach 1949 erfolgte die mehrfache und insbesondere provisorische Erschließung der Akten, bis schließlich 2006/07 die intensivere und abschließende Bearbeitung erfolgte. Parallel dazu wurde aus Gründen des substantiellen Schutzes des Archivgutes der Bestand 1994 schutzverfilmt, so dass seine Benutzung jetzt mittels Filmkopie (Mikrofiche) erfolgt.
Im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar liegen - abgesehen von den 1945 eingetretenen Archivalienverlusten - verschiedene korrespondierende Bestände vor. Dies betrifft insbesondere das Hofmarschallamt, Thüringische Volksbildungsministerium (einschließlich Personalakten) und Thüringische Finanzministerium sowie die Überlieferung der Landtage von Sachsen-Weimar-Eisenach und von Thüringen sowie anderer zeitgleicher Kunstlehranstalten in Weimar.
Zur Geschichte des Staatlichen Bauhauses gibt es eine Vielzahl von Veröffentlichungen, die zumeist nur die Zeit des Direktorates von Walter Gropius (1919 bis 1925) betreffen. Die bisher erschienenen Auswahleditionen sind allerdings unvollkommen, weil die veröffentlichten Texte zumeist unvollständig und ohne historischkritischen Apparat ediert worden sind. Als einzige historisch-kritische Edition zur Bauhausgeschichte liegt deshalb bisher nur die im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar erarbeitete Edition der Meisterratsprotokolle aus der Ära von Walter Gropius von 1919 bis 1925 vor, welche die zerstreut überlieferten Dokumente (im Archivbestand des Thüringischen Hauptstaatsarchivs und im Nachlass von Walter Gropius im Bauhaus-Archiv Berlin) zusammengeführt hat. Der Zugang zum Bestand (mit ausführlicher Beständebeschreibung) erschließt sich zu dem über ein gedrucktes Spezialrepertorium.
- Die Meisterratsprotokolle des Staatlichen Bauhauses Weimar 1919 bis 1925 (Veröffentlichungen aus Thüringischen Staatsarchiven; 6). Herausgegeben von Volker Wahl, bearbeitet von Ute Ackermann. Weimar 2001. 566 S.
- Von der Kunstschule zum Bauhaus. Spezialrepertorium zu den Archivbeständen der Kunstlehranstalten in Weimar. Großherzoglich Sächsische Hochschule für bildende Kunst Weimar (1860-1919). Großherzogliche Kunstgewerbeschule Weimer (1908-1915). Staatliches Bauhaus Weimar (1919-1926) (Repertorien des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar; 4). Bearbeitet von Dagmar Blaha, Frank Boblenz und Volker Wahl. Weimar 2008. 422 S.
Zitierweise: Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Staatliches Bauhaus Weimar Nr. 1