Preface

1 Behördengeschichte

1.1 Vorläuferbehörden, Entstehung und Territorium

Behördlicher Vorläufer des Thüringischen Kreisamtes Rudolstadt war das Schwarzburgische Landratsamt Rudolstadt (1850 – 1912) sowie der Bezirksvorstand und spätere Schwarzburgische Landrat Gehren (1868 – 1922). Der Zusammenschluss der thüringischen Einzelstaaten zum Land Thüringen am 1. Mai 1920 brachte in der Folge auch eine Neuordnung der Verwaltung mit sich. Während die unteren Verwaltungen vor 1922 staatliche Behörden waren, verlagerte sich das Gewicht nach 1922 auf die kommunale Selbstverwaltung. Durch das Kreiseinteilungsgesetz vom 16. Juni 1922 sowie die Gemeinde- und Kreisordnung vom 22. Juni 1922, die beide am 1. Oktober 1922 in Kraft traten, wurde Thüringen in 9 (später 10) Stadt- und 16 Landkreise eingeteilt. Der Landkreis Rudolstadt setzte sich vor allem aus dem größten Teil der Orte der beiden ehemaligen schwarzburg-rudolstädtischen Landratsamtsbezirke Rudolstadt und Königsee zusammen. Ferner wurden ihm Teile des sachsen-altenburgischen Landratsamtsbezirks Roda (Stadtroda) sowie einzelne Orte des I. Verwaltungsbezirkes (Weimar) von Sachsen-Weimar-Eisenach, des sachsen-meiningischen Kreises Saalfeld und des schwarzburg-sondershäusischen Landratsamtsbezirks Gehren zugeschlagen.

1.2 Der Thüringische Kreisdirektor

Leiter des Landkreises war der Kreisdirektor, der 1924 einen eigenen Aufgabenkreis als staatlicher Verwaltungsbeamter, insbesondere die Aufsicht über die Gemeinden unter 5 000 Einwohnern erhielt. Der Kreisdirektor fungierte also überwiegend als Selbstverwaltungsorgan, dem staatliche Auftragsangelegenheiten übertragen wurden. Er war als staatlicher Verwaltungsbeamter für alle Aufgaben zuständig, die nicht den staatlichen Spezialbehördenübertragen waren. Oberstes Willensorgan der Kreisbevölkerung war der auf drei später vier Jahre gewählte Kreisrat. Das Wahlrecht entsprach im Wesentlichen dem Landtagswahlrecht. Das ausführende Organ waren der Kreisdirektor und seine Beigeordneten, die bis 1926 ihre Aufgabengebiete in enger Verantwortung gegenüber dem Kreistag erledigten. Für besondere Aufgaben arbeiteten folgende direkt dem Ministerium für Inneres in Weimar unterstellte staatliche Spezialbehörden:

1. Bauamt
2. Schulamt
3. Gesundheitsamt und
4. Veterinäramt

1.3 Das Thüringische Kreisamt

Als untere staatliche Verwaltungsbehörde bestand seit 1926 das Kreisamt, dessen Leiter der Landrat war. Durch seine Mitwirkung im Schulamt, Gesundheitsamt, Veterinäramt und Forstamt (Kreisforstamt) trat er nunmehr in engere Beziehung zu den neben ihm tätigen Spezialbehörden. Durch die Landesverwaltungsordnungen von 1926 und 1930 wurde der Charakter der Kreisverwaltung somit im Sinne eines staatlichen Verwaltungsorgans umgestaltet. Konsequenz dieser Politik war, dass dem Kreisamt am 1. Juli 1930 die bisherigen Spezialbehörden angegliedert wurden. Der Landrat, der 1926 an die Stelle des Kreisdirektors getreten war, blieb zwar weiterhin Leiter des Landkreises als Selbstverwaltungsorgan, wurde aber vornehmlich zum staatlichen Verwaltungsbeamten. Dem Landrat unterstand nun auch die Gendarmerie. Das Kreisamt bestand danach aus folgenden fünf Abteilungen:

1. Allgemeine Verwaltung
2. Bauverwaltung
3. Schulverwaltung
4. Medizinalverwaltung und
5. Veterinärverwaltung

Vor allem seit dem Gesetz zur Regelung der Beziehungen des Landes Thüringen zu seinen Landkreisen vom 27. Mai 1931 war die Selbstverwaltung des Kreises zu einem Anhängsel des Kreisamtes reduziert worden. Nach 1933 verloren die Kreistage ihre Bedeutung und die Selbstverwaltung kam zum Erliegen. Ende August 1939 wurden beim „Landrat“ (amtliche Bezeichnung der Kreisbehörde seit 1939) für die Kriegswirtschaft ein „Ernährungsamt“ und ein „Wirtschaftsamt“ eingerichtet.

Die amtlichen Bezeichnungen für die Behörde im Laufe seiner Entwicklung von 1922 bis 1946 lauteten:

1922 „Thüringischer Kreisdirektor“
1926 „Thüringisches Kreisamt“
und
von 1939 bis 1946 „Der Landrat"

1.4 Die eingegliederten Spezialbehörden

Die 1930 eingegliederten Spezialbehörden hatten ihre eigene, z. T. verwickelte Geschichte.

1.4.1 Das Bauwesen

Im Bauwesen entstanden 1922 in neun thüringischen Städten „Vorläufige Landesbauämter“, denen der staatliche Straßen- und Hochbau oblag. Ihr Amtsbereich umfasste jeweils mehrere Land- und Stadtkreise. Schon am 1. Oktober 1923 erfolgte die Bildung der „Bauämter“. Für jeden Landkreis wurde ein Bauamt gegründet und dem Ministerium des Innern in Weimar unterstellt. 1927 erfolgte die Trennung des Bauwesens in staatlichen Tiefbau (Straßenbau) und Hochbau (staatliche Gebäude). Für den Tiefbau entstanden acht Landesbauämter, die dem Ministerium des Innern unterstellt waren. Die Pläne des Kreisbauamts Rudolstadt bilden einen eigenen Bestand, wenige Akten dieser Provenienz wurden in den Bestand „Kreisamt Rudolstadt“ integriert. Die Landes- und Hochbauämter waren jeweils für mehrere Landkreise zuständig. Ab 1. Juli 1930 wurden die Landes- und Hochbauämter der Kreise als Abteilung II (Bauverwaltung) in die Thüringischen Kreisämter eingegliedert, wobei sie ihre territoriale Zuständigkeit behielten.

1.4.2 Das Schulwesen

Für Schulangelegenheiten entstanden 1922 für jeden Landkreis „Kreisschulämter“, die 1923 mit den ebenfalls 1922 errichteten Berufsschulämtern zu „Schulämtern“ vereinigt wurden und bis 1926 bestanden. Ab 1926 waren in den Schulämtern für die äußeren Schulangelegenheiten der Schulrat und der Landrat zuständig. Für die inneren Schulangelegenheiten und Personalsachen war der Schulrat dem Volksbildungsministerium in Weimar unmittelbar unterstellt. Ab 1930 bildeten sie die Abteilung III (Schulverwaltung) der Kreisämter.

1.4.3 Das Gesundheitswesen

Für das Gesundheitswesen war seit 1923 in jedem Landkreis ein staatlicher Gesundheitsbeamter, der „Thüringische Kreisarzt“ tätig, der dem Innenministerium unmittelbar unterstand. 1926 trat an Stelle des Kreisarztes ein „Gesundheitsamt“. Dies setzte sich aus dem Kreisarzt und dem Landrat zusammen. 1930 bildete das Gesundheitsamt die Abteilung IV (Medizinalverwaltung) des Kreisamtes. 1935 wurde ein dem Ministerium unmittelbar unterstelltes Staatliches Gesundheitsamt gebildet. Dieses wurden allein vom Kreisarzt geleitet, der unmittelbar dem Innenministerium unterstand und unabhängig von der Kreisbehörde über Weisungsbefugnis verfügte.

1.4.4 Das Veterinärwesen

1922 verwaltete in jedem Landkreis ein „Kreistierarzt“ die Veterinärangelegenheiten. Seit 1924 lautete seine Amtsbezeichnung „Regierungsveterinärrat“ Ab 1926 setzte sich das Veterinäramt aus dem Regierungsveterinärrat und dem Landrat zusammen. Seit 1930 bildete es die Abteilung V, seit 1935 die Abteilung IV (Veterinärabteilung) des Kreisamtes, die allerdings seit 1936 wieder dem Ministerium des Innern in Weimar unterstellt war.

1.5 Entwicklung der Kreisverwaltung 1945 - 1952

Im April 1945 wurde der Kreis von amerikanischen Truppen befreit. Entsprechend der Absprache der Siegermächte auf der Konferenz in Jalta (4. - 11. Februar 1945) wurde Thüringen Anfang Juli 1945 von der sowjetischen Armee besetzt und damit Teil der Sowjetischen Besatzungszone.
Nach dem Zusammenbruch der staatlichen Verwaltungen im 2. Weltkrieg durchlief die Kreisverwaltung Rudolstadt eine bewegte Entwicklung und gewann dabei zunehmend an Bedeutung. Sie stellte schließlich die Zusammenfassung fast sämtlicher Verwaltungsbehörden in der unteren Instanz, eine Regierung im Kleinen dar (vgl. Ulrich Heß: Geschichte der Behördenorganisation, S. 195).
Ab Ende 1946 nannten sich die Kreisverwaltungen „Kreisrat“. Sie erfüllten ihre Aufgaben als Selbstverwaltungsorgan dem Auftragsangelegenheiten übertragen wurden.

2 Bearbeitung des Bestandes

Der Bestand Thüringisches Kreisamt Rudolstadt ist in mehreren Etappen in das Thüringische Staatsarchiv Rudolstadt übernommen worden. Er wurde durch eine überwiegend maschinenschriftliche Kartei (einfach) erschlossen, die in den 1990er Jahren in die Archivdatenbank übertragen wurde. Eine vermutlich auf Kassationen zurückzuführende Lücke zwischen den Nummern 1037 und 1099 wurde nicht wieder geschlossen

Da die retrokonvertierten Angaben lückenhaft waren und sich in größerem Umfang nicht verzeichnete Akten anfanden, wurden die vorhandenen Erschließungsangaben ab Sommer 2006 revidiert und bisher nicht erschlossene Akten verzeichnet. Im Zuge der Revision erfolgten auch eine Neuverpackung und Neukennzeichnung der Unterlagen.

Die als ungenügend empfundene Gliederung des Bestandes wurde durch eine ersetzt, welche sich an die Gliederung anlehnte, die Franke Esche für den Parallelbestand „Kreisamt Arnstadt“ verwendet hatte. Für die institutionsgeschichtliche Einleitung wurde ebenfalls auf diese Vorarbeiten zurückgegriffen.

Der Gesamtbestand Thüringisches Kreisamt Rudolstadt umfasst nunmehr 41,8 lm oder 2636 Akten (Nr. 1 - 1036 und 1100 - 2696).


Rudolstadt im Juli 2007


Andrea Steinbrücker
Archivamtfrau