Preface
Bestandsgeschichte
Der Bestand "Gutsarchiv Großfurra" kann über seinen engeren örtlichen Bezug hinaus auch als das Familienarchiv der Familie von Wurmb bezeichnet werden. Er beinhaltet nahezu sämtliche Familien- und Amtsangelegenheiten. Darunter befinden sich auch zahlreiche Unterlagen über andere Güter, so z. B. Porstendorf und Wolkramshausen.
Die Familie von Wurmb ist ein uradeliges thüringisches Geschlecht, dessen ursprüngliche Herkunft heute unbekannt ist. Vermutungen zufolge leitet sich der Name von dem östlich von Apolda gelegenen Ort Wormstedt her, ohne dass dafür Quellenbelege nachzuweisen sind. Die Form der Namensschreibung änderte sich im Laufe der Jahrhunderte von "Worm" über "Wormb" bzw. "Wurm" zu "Wurmb".
Das erste namentlich bekannte Familienmitglied ist Ritter Conrad I. von Wurmb (1173 genannt als "Conradus Worm, eques"). Die urkundlich belegte Stammreihe der Familie beginnt im Jahr 1266 mit dem Ritter Dietrich "Worm". Bis ca. 1400 werden seine Nachfahren in verschiedenen Urkunden erwähnt.
Fortan teilte sich das Familiengeschlecht in die folgenden drei Hauptlinien:
1. Heichelheimer Linie,
2. Großfurraer Linie,
3. Thamsbrück-Clettstedter Linie,
von denen wiederum verschiedene Nebenlinien abzweigten.
Im Jahre 1887 wurde auf dem Gut Porstendorf bei Jena (Großherzogtum Sachsen) der von Wurmbsche Geschlechtsverband (Familienverband) begründet, welcher bis heute besteht und regelmäßig Familientreffen organisiert. Heute leben Mitglieder und Nachkommen der Familie von Wurmb in Deutschland, Schweden, Argentinien, Brasilien und den USA.
Die ältesten bekannten Güter der Familie sind Tunzenhausen, Buttelstedt und Heichelheim. Die Stammsitze der Familie von Wurmb befanden sich auf den Schlössern Großfurra, Witzschersdorf und Lausnitz, den Gütern Angelroda und Porstendorf sowie auf dem Rittergut Dornheim. Fast alle Stammsitze wurden in den Wirren nach Ende des zweiten Weltkriegs zerstört oder im Zuge der Bodenreform enteignet, geplündert und dem Verfall überlassen. Dies geschah auch mit dem Schloss Großfurra (bei Sondershausen), welches seit dem Jahr 1444 in Besitz der Familie von Wurmb gewesen ist. In diesem Jahr wurde Lutze I. Worm, kaiserlich römischer und kurbrandenburgischer Rat, zum Burgmann zu Großfurra berufen. Ab 1481 ließ sich die Familie endgültig in Großfurra nieder. Im Jahr 1659 wurde das Familienarchiv, welches bis ins Jahr 1322 zurückreichte, durch Ludwig von Wurmb im Turm des Schlosses eingerichtet. Auf Großfurra waren bis 1945 insgesamt 15 Generationen der Familie ansässig.
Im Jahre 1948 wurde die Familie aus dem Schloss vertrieben, ihre Besitztümer geplündert und einige Gebäudeteile abgerissen, um das Material für die Errichtung anderer Bauten zu verwenden. Bis 1989 beherbergte das Schloss eine Schule, einen Kindergarten und Wohnungen. Nach 1989 gehörte es, mittlerweile in einem Besorgnis erregenden Zustand, der Gemeinde Großfurra. Nach dem Verkauf an Private im Jahre 1996 wurden bis 2004 erhebliche Mittel in die Sanierung des Schlosses investiert. Seit 2005 wird es als Wohnung, Restaurant und Pension genutzt.
Der 874 n.Chr. erstmals urkundlich erwähnte Ort Großfurra stand bis 1815 unter kursächsischer und anschließend ein Jahr unter preußischer Landeshoheit. Im Jahr 1816 gelangte er im Rahmen eines Gebietsaustausches an das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen. Im Zuge der Bodenreform im August 1946 wurde das Archiv des Ritterguts Großfurra dem damaligen Staatsarchiv Sondershausen übergeben, wobei die alte wertvolle Bibliothek zu diesem Zeitpunkt bereits verloren gegangen war. Nach der Auflösung des Staatsarchivs Sondershausen wurde der Bestand 1952 an das Thüringische Staatsarchiv Rudolstadt übergeben und nach 1990 durch einzelne familiengeschichtliche Archivalien ergänzt, die auf der Grundlage eines Depositalvertrages vom Familienverband von Wurmb abgegeben wurden.
Quellen
- Gerhard v. Wurmb: Geschichte der Familie von Wurmb in drei Bänden. Unveröff. Manuskript, Gerlingen b. Stuttgart, Band 1: 1955, Bde. 2 u. 3: o. J.
- Dietrich v. Wurmb: von Wurmbscher Familienverband 1887 - 1987 - 1997. Hrsg. vom v. Wurmbschen Familienverband (Selbstverlag), o. O. u. o. J.
- Homepage des Von Wurmbschen Familienverbandes (www.vonwurmb.de).
Bestandsbearbeitung
Der Bestand umfasst insgesamt 49 laufende Meter Akten und Amtsbücher sowie 88 Urkunden mit einer Laufzeit von 1535 bis 1930. Für einen Teil des Bestand existierte eine Findkartei, die im Jahr 2006 durch Herrn Wulf von Wurmb im Zuge einer Archivbenutzung retrokonvertiert (d. h. in einer Datenbank erfasst) und anschließend in das Archivprogramm AUGIAS integriert wurde. Archivfachliche Schwächen der Vorlage führten zu einer Nachbearbeitung im Herbst 2009 (Kontrolle der 1237 erfassten Datensätze, Vereinheitlichung der Titel, Erarbeitung einer Klassifikation sowie eines Personen- und Ortsregisters). Außerdem wurden 14 Gemeinderechnungen aus dem Bestand herausgelöst und dem Rechnungsbestand "RS 252-260 Gemeinderechnungen Großfurra" zugeordnet. Diese Arbeiten oblagen Frau Sabine Keßler im Rahmen ihrer praktischen Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste / Fachrichtung Archiv.
Im Sommer 2014 wurde der bis dahin noch nicht verzeichnete Teil des Gutsarchives durch Frau Sandra Salomo M.A. auf der Grundlage eines Werkvertrages erschlossen. Hierbei handelte es sich um 36 Kartons, deren Inhalt vermutlich bei der Auflösung der Gutsverwaltung 1945 sichergestellt, seitdem aber nicht weiter archivisch bearbeitet wurde. Da dieser Überlieferungsteil aus allen früheren Registraturzusammenhängen herausgerissen war, bestand er vor allem aus weitestgehend ungeordneten Einzeldokumenten aus dem 16. bis 20. Jahrhundert. Zu den unerschlossenen Unterlagen zählten auch jene, die dem Staatsarchiv Rudolstadt nach 1990 vom Familienverband von Wurmb auf der Grundlage eines Depositalvertrages übergeben worden sind.
Bei der Neuformierung der Akten wurde - soweit dies möglich war - nach dem Registraturprinzip vorgegangen. Da die Aktentitel dennoch oftmals allgemein gehalten werden mussten, wurden wichtige Dokumente und Vorgänge in die Enthält-Vermerke aufgenommen. Insgesamt konnten aus diesem ungeordneten Überlieferungsteil 422 Akten formiert und im Archivprogramm AUGIAS verzeichnet werden (Nr. 1941 - 2363). Die Akten wurden zuvor gereinigt, signiert und in säurefreie Archivkartons verpackt. Aus dem unsortierten Bestand herausgelöst wurden jene Dokumente, deren Provenienz eindeutig dem Patrimonialgericht Großfurra zuzuordnen war. Diese sind dem Bestand "Patrimonialgericht Großfurra" des Staatsarchivs Rudolstadt hinzugefügt worden.
Ebenfalls ausgesondert werden mussten solche Dokumente, deren Substanz durch Wasserschäden, Schimmelbefall und Tierfraß so stark gelitten hatte, dass eine Restaurierung mit vertretbarem Aufwand nicht mehr möglich war.
Der die Datensätze 1238 - 1940 umfassende Teil des Bestandes war bereits signiert, aber noch nicht verzeichnet. Deshalb wurden diese bereits formierten Akten lediglich gereinigt, in AUGIAS verzeichnet und neu verpackt. Aufgrund ihrer bereits vorhandenen Signierung ist hier darauf verzichtet worden, die Unterlagen des Patrimonialgerichtes Großfurra herauszulösen. Deren Verzeichnungsdatensätze erhielten jedoch einen Provenienzverweis zum Patrimonialgericht.
Weiterhin wurden die 88 zum Bestand gehörenden Urkunden - überwiegend Lehnsurkunden aus der Zeit zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert - gesäubert, in säurefreie Urkundenmappen verpackt und deren handschriftliche Findkartei unter einer eigenen Systematikgruppe in die AUGIAS-Datenbank übertragen.
Im Zuge der abschließenden Bestandsbearbeitung ist das Personen- und Ortsregister fortgeführt worden. Zudem erfolgte - soweit dies möglich war - eine Überarbeitung des Personenregisters, um Dopplungen aufgrund unterschiedlicher Namensschreibweisen zu vermeiden.
Mit der Fertigstellung des vorliegenden Findbuchs, das insgesamt 2.450 Verzeichnungseinheiten umfasst, hat die komplizierte Überlieferungs- und Bearbeitungsgeschichte des Bestandes "Gutsarchiv Großfurra" einen vorläufigen Abschluss gefunden. Ausstehende Aufgaben sind noch die Umverpackung der stehend gelagerten Akten in moderne Archivkartons sowie die sukzessive Restaurierung beschädigter Unterlagen. Auch eine Digitalisierung des Bestandes sollte als Zukunftsprojekt nicht aus den Augen verloren werden.
Dieses Findbuch kann auch im Thüringer Archivportal unter www.archive-in-thueringen.de eingesehen werden.
Zitierweise: LATh - StA Rudolstadt, Gutsarchiv Großfurra Nr. ...
Verweis auf weitere Bestände in Thüringischen Staatsarchiven mit Bezug zur Familie von Wurmb:
- Patrimonialgericht Großfurra (Thüringisches Staatsarchiv Rudolstadt)
- Gutsarchiv Angelroda mit Martinroda (Thüringisches Staatsarchiv Rudolstadt)
- Rittergut Porstendorf (Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar)
- Patrimonialgericht Lausnitz (Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar).
Das Thüringische Staatsarchiv Rudolstadt dankt
der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung (München/Nordhausen), namentlich ihrem Vorstand Herrn Dipl.-Kaufmann Andreas Lesser, für die großzügige finanzielle Förderung des Erschließungsprojektes
sowie
dem von Wurmbschen Familienverband für die langjährige konstruktive Zusammenarbeit und Wertschätzung der Arbeit unseres Hauses.
Rudolstadt, im Oktober 2014
Dieter Marek
Archivdirektor