Preface

Zur Geschichte der Erfurter Familie Kämmerer und der mit ihr verbundenen Familien

Die Familie Kämmerer ist thüringischen Ursprungs. Spitzenahn ist Martin Kämmerer, ein Ölmüller zu Bendeleben, der zur Zeit des 30jährigen Krieges gelebt hat (vgl. 5/110 K 5-61). Träger des Namens sind vor allem im nördlichen Thüringen weit verbreitet, wobei deren Verwandtschaft mit dem genannten Ölmüller Martin Kämmerer wahrscheinlich, aber nicht erweisbar ist. Ein Nachfahre Kämmerers in der sechsten Generation, (Johann) Wilhelm (August) Kämmerer, 1776 als Sohn von Christoph August Kämmerer in Ringleben geboren, kam um 1790 nach Erfurt und gründete 1802 zusammen mit Philipp Jacob Dilling die Handlung Dilling und Kämmerer. Dilling heiratete Dillings Schwester Henriette, Wilhelm Kämmerer selbst ging 1804 die Ehe mit (Sophie) Auguste Born, Tochter von Heinrich Born und seiner Ehefrau, einer geborenen Geiler, ein. Von den der Ehe von Wilhelm und Auguste Kämmerer entsprossenen Kindern erreichten vier Söhne das Erwachsenenalter. Ihr Vater Wilhelm Kämmerer starb jung, bereits 1814. Die zwei Söhne aus der Ehe von Philipp Jacob und Henriette Dilling, (August) Wilhelm und Albert, schieden aus dem Handlungsgeschäft aus; dennoch führte dieses weiterhin den Namen "Dilling und Kämmerer". Wilhelm Dilling war mit Wilhelmine Rösch aus Ilmenau verheiratet; sie war Tochter des Ilmenauer Porzellanfabrikanten Ernst Rösch, der der Sohn eines Pfarrers zu Isseroda war, und einer Tochter des Volkstedter Porzellanfabrikanten Christian Nonne, eines gebürtigen Erfurters. Aus der Ehe Dilling - Rösch ging außer einem Sohn, der kinderlos starb, die ebenfalls kinderlose Helma Dilling hervor. Sie setzte die Kinder von Wilhelm Kämmerer (1843-1919) als Erben ein. So kamen wertvolles Kunstgut - vor allem thüringische Porzellane - und Schriftgut aus den Familien Dilling, Rösch, Geiler, Minner, Nonne und Bellermann in den Besitz der Familie Kämmerer.

Von den vier Söhnen von Wilhelm und Auguste Kämmerer blieben zwei - Carl und Julius - unverheiratet. August (1811-1895) führte das väterliche Handelsgeschäft weiter und heiratete Louise Nicolai (1817-1844), Tochter des Seifensieders Christian Wilhelm Nicolai zu Arnstadt. Der einzige Sohn aus dieser Ehe, Wilhelm Kämmerer (1843-1919) war mit Emma Vogt (1846-1910) verheiratet. Er gab das Geschäft 1896, als er wegen Straßenverbreiterung das Geschäftshaus an der Ecke Schlösserstraße/Junkersand verlassen mußte, auf. Sein zweiter Sohn Max Kämmerer (1875-1933) führte den Namen der Familie jedoch erneut im Erfurter Geschäftsleben ein, wenngleich in einem ganz unterschiedlichen Geschäftszweig. Zusammen mit dem Eisenwarenfachmann Otto Ernst eröffnete er 1906 in der Bahnhofstraße 38 die Eisenwarenhandlung Kaemmerer und Ernst. Als Max Kämmerer 1933 kinderlos starb, endete nach fast anderthalb Jahrhunderten die Verbindung der Familie mit der Stadt Erfurt. Sein älterer Bruder, Dr. Paul Kämmerer (1873-1946), hatte Rechtswissenschaften studiert und war in den richterlichen Dienst eingetreten. Da seine 1919 mit Annemarie Müller geschlossene Ehe kinderlos war, nahm das Ehepaar den leiblichen Neffen der Ehefrau, Hans-Helmut Müller (geb. 1926), 1928 an Kindes Statt an. Hans-Helmut Kämmerer trat in die juristischen Fußstapfen seines Vaters. Er war Beamter im Dienste des Landes Hessen, danach Bürgermeister in zwei hessischen Gemeinden.

Hans-Helmut Kämmerer hat im Jahre 1996 den wertvollsten Teil des einen Beleg thüringischer Kulturgeschichte darstellenden Kunstbesitzes der Familie Kämmerer einschließlich der schriftlichen Unterlagen der Familie Kämmerer und der damit vereinigten Unterlagen von Familien, die mit der Familie Kämmerer durch Ehe und Abstammung verschwägert und verwandt waren, der Stadt Erfurt geschenkweise überlassen.

Eine ausführliche Darstellung der Geschichte der Familie findet sich in dem Buch: Die Sammlung Kämmerer. Familiengeschichte - Stadtgeschichte - Kunstgeschichte. 250 Jahre Privatsammlung einer Erfurter Kaufmannsfamilie. [Hrsg. vom Angermuseum mit Beiträgen von Hans-Helmut Kämmerer, Adelheid Mahnert und Ruth und Eberhard Menzel], Erfurt 1996.

Ein Typoskript von Horst Hesse: Forschungen zur Müllerfamilie Kämmerer, hat der Verfasser dem Stadtarchiv Erfurt 1999 geschenkt (Zugang 78/1999). Es befindet sich im Stadtarchiv Erfurt unter der Signatur 5/350 H-10 . Es unterrichtet über die mutmaßlichen Seitenverwandten der Erfurter Kämmerer in Auerstedt, Bendeleben, Bilzingsleben, Großurleben, Naumburg und in anderen Orten des mittleren und nördlichen Thüringen.


Bestandsgeschichte

Der Nachlass Kämmerer vereinigt Einzelschriftstücke, die aus den Nachlässen verschiedener Personen aus verschiedenen mit dem Namensstamm der Erfurter Kämmerer durch Ehen bzw. durch Abstammung und Ehe verbundenen Familien herrühren. Schriftstücke aus dem Besitz von Trägern der Namen Bellermann, Nonne, Rösch, Minner und Dilling sind im Erbgang auf die 1915 verstorbene Helma Dilling gekommen, von dieser aufgrund testamentarischer Verfügung auf die Geschwister Paul, Max und Martha Kämmerer, deren Urgroßtante Henriette Kämmerer, verheiratete Dilling, die Großmutter väterlicherseits von Helma Dilling gewesen war. Nach dem kinderlosen Tode der Geschwister Martha und Max gingen sie auf deren Bruder, Dr. Paul Kämmerer, und dessen Sohn, Hans-Helmut Kämmerer, über.

Die Schriftstücke von Angehörigen der Familien Kämmerer, Born, Geiler, Nicolai und Vogt sind im Namensstamm der Erfurter Kämmerer vererbt worden und schließlich ebenfalls in Dr. Paul Kämmerers und seines Sohnes Hand gewesen. Inwieweit und nach welchen Gesichtspunkten sie bei letzterem geordnet waren, ist nicht bekannt. Als das Stadtarchiv Erfurt den Hauptteil der Schriftstücke am 6. Januar 1997 und einen zweiten, kleineren Teil am 13. Februar 1997 vom Angermuseum der Stadt Erfurt übernahm, wohin sie im Zuge der Schenkung des Kunstbesitzes der Familie Kämmerer durch Hans-Helmut Kämmerer gelangt waren, waren sie nach einem Grundsatz geordnet, der sie einzelnen der obengenannten Familien zuwies und innerhalb der Zuordnungen chronologische Reihung vorsah. Diese Ordnung war wahrscheinlich erst im Angermuseum und im Zuge der Vorbereitung der Ausstellung "Sammlung Kämmerer" und des dazugehörigen Ausstellungsbegleitbandes hergestellt worden. Gemäß diesen Ordnungsgrundsätzen gliederte sich auch die im Angermuseum der Stadt Erfurt erstellte schriftliche Aufstellung; sie diente bei der Übernahme durch das Stadtarchiv Erfurt als Ablieferungsliste. Aus dieser Liste ist zu ersehen, daß etwa acht Schriftstücke, die überwiegend einen Bezug zu den über Helma Dilling an die Familie Kämmerer gelangten Porzellanstücken aufweisen, vom Angermuseum nicht an das Stadtarchiv Erfurt abgegeben worden sind.

Zwei Verzeichnungseinheiten hatten sich schon seit sehr langem im Stadtarchiv Erfurt befunden. Die Geschäftsbücher, die nun unter den Signaturen 5/110 K 5-17 und 5/110 K 5-18 verzeichnet sind, sind dem Stadtarchiv Erfurt 1933 nach dem Tode von Max Kämmerer übergeben und sind nunmehr in den Nachlass Kämmerer eingeordnet worden.


Bearbeiterbericht

Die offensichtlich im Angermuseum hergestellte Ordnung ist bei der Verzeichnung im großen und ganzen beibehalten worden. Allerdings wurden die etwa 220 Einzelschriftstücke nach innerer Zusammengehörigkeit zu 38 Akteneinheiten vereinigt (5/110 K 5-1 bis 38). Dabei wurde pertinenzmäßige Zuordnung der neugebildeten Akteneinheiten zu einzelnen Familien und zu Einzelpersonen angestrebt. Ein Versuch, persönliche Nachlässe zu rekonstruieren, hätte lediglich fiktive Ergebnisse gebracht. Natürlich deckt sich die pertinenzmäßige Zuordnung in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle mit der Provenienz, jedoch nicht in allen Fällen. So befand sich der Erbschaftssteuerbescheid nach Helma Dilling selbstverständlich nicht schon in deren Nachlaß (5/110 K 5-13) und das Schreiben des Arztes Dr. Blüher an Dr. Paul Kämmerer, die Krankheit seines Bruders Max betreffend, nicht in des letzteren Nachlaß (5/110 K 5-29). Die Akteneinheiten bilden eine erste Gruppe.

Unabhängig von Pertinenz und Provenienz wurden als Vertreter einer Quellengattung die Stammbücher (Freundschaftsalben) zu einer zweiten Gruppe zusammengefaßt (5/110 K 5-39 bis 55). In den Enthält-Vermerken sind Einträge namentlich zugeordnet. Die Vornamen der Männer sind mit den Anfangsbuchstaben abgekürzt, die der Frauen ausgeschrieben. Das findet seinen Grund darin, daß Eingetragene männlichen Geschlechts aufgrund der auch noch für das 18. und das 19. Jahrhundert festzustellenden größeren Dichte des zu der männlichen Hälfte der Menschheit erwachsenen Schriftgutes leichter zu identifizieren sind als Frauen. Bei mit Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit aus Erfurt stammenden Personen wird die Herkunft nicht angegeben, natürlich auch nicht bei Personen, die sich in ihrem Eintrag nicht selbst einem Orte zuordnen.

Eine dritte Gruppe bilden nicht näher zuzuordnende Verzeichnungseinheiten (5/110 K 5-56 bis 64). Darunter befinden sich auch Dinge, die aus familiengeschichtlichem Interesse mit Bewußtheit gesammelt worden sind (z. B. das Petschaft von Karl August Kämmerer).

Die zahlreichen Fotos bilden die vierte Gruppe (5/110 K 5-65 bis 80). Von einzelnen Fotos hat das Sachgebiet Bildarchiv/ Fotostelle für den Bestand 6-0 Reproduktionen angefertigt. Es sind jedoch alle vorgefundenen Fotos auch körperlich in dem Nachlaß geblieben.

Die fünfte Gruppe, vier Lehrbriefe, sind im Findbuch zwar verzeichnet, sind aber nicht körperlich im Nachlaß geblieben, sondern in den Urkundenbestand 0-1 eingeordnet worden. Zumindest die Urkunde 0-1/V-545 dürfte nicht in einer der obengenannten Familien erwachsen, sondern nur durch bewußtes Sammeln - Hintergrund könnte die steckenpferdmäßige Beschäftigung mit der Geschichte des Erfurter Handelsstandes gewesen sein - in den Besitz der Familie Kämmerer gelangt sein.

Eine sechste und letzte Gruppe, die im Familiennachlaß vorgefundenen Bücher, ist zwar ebenfalls im Findbuch verzeichnet, die Bücher sind jedoch, nach der Systematik der Bibliothek aufgeteilt, in die Dienstbibliothek des Stadtarchivs Erfurt aufgenommen worden (4-0). Da unten im Findbuch bei jedem Buch die Bibliothekssignatur aufgeführt ist, ist es jederzeit möglich, die Gesamtheit der Bücher im Geiste zu rekonstruieren und sogar körperlich wieder zusammenzuführen. Einen großen Teil der Bücher bilden Ausgaben von bedeutenden Werken der deutschen Literatur; sie und die meisten anderen Bücher sind nach den Besitzervermerken von Wilhelm Kämmerer in dessen jungen Jahren erworben worden.

In die untenstehende Liste sind zwei Druckschriften nicht aufgenommen worden: erstens von der "Königlich-Preußische(n) allergnädigst-privilegirte(n) Thüringische(n) Vaterlandskunde" das 19. Stück vom 8. Mai 1805, zweitens der Dritte Jahresbericht der Erfurter Bibliotheks-Gesellschaft vom Jahre 1927. Ersteres wurde den bereits vorhandenen Bänden dieser Zeitschrift (4-1/XIII-8), letzterer der bereits vorhandenen Serie dieser Jahresberichte (4-0/E 4881 b/15) zugeordnet.

Einige Dokumente sind in noch andere Bestände des Stadtarchivs Erfurt eingeordnet worden: 2 Postkarten der Erfurter Privat-Schnellbrief-Beförderung (5/209-6 P), eine Bekanntmachung über die Bildung eines Erfurter Arbeiter- und Soldatenrates (5/602-30), eine Richtungstafel für das "Waldhaus" zu Erfurt von 1891 (7/300-30).

Kassationen wurden nicht vorgenommen.

Der Nachlaß Kämmerer umfaßt 76 dem NL Kämmerer zugeordnete Verzeichnungseinheiten. Weitere 38 Verzeichnungseinheiten wurden - wie oben ausgeführt - nicht dem NL Kämmerer, sondern anderen Beständen, vorwiegend der Dienstbibliothek (4-0) zugeordnet.

Die Verzeichnung hat mit großen Unterbrechungen in den Monaten Dezember 2001 bis März 2002 stattgefunden.

Erfurt, den 11. März 2002

gez. Dr. Benl