Preface
Bearbeitungsbericht zum Bestand 4-96-2030 DRK-Sanitätskolonne Meiningen (Altsignatur 4-96-203)
Bestandsakte
Eine Bestandakte existiert nicht.
Vorgefundener Zustand
Bei Bearbeitungsbeginn im Mai 2020 umfaßte der Bestand 0,7 lfm. Die Unterlagen waren vollständig ungeordnet, vielfach nicht formiert, nicht archivisch verpackt, nicht bewertet und nicht verzeichnet. Die Unterlagen waren konservatorisch unauffällig. Ausweislich der AUGIAS-Datenbankeintragung des StA MGN datierten die Unterlagen aus den Jahren 1922-1945.
Bearbeitungsplan
Die Unterlagen sollten in Rahmen eines Kurzprojektes in Heimarbeit durch den Bestandsverantwortlichen Clemens Heitmann (nach-)bewertet, erschlossen und verpackt werden. Eine technische Bearbeitung war nicht vorgesehen. Über die Tiefe der Verzeichnung und Gliederung sollte erst im Zuge des Arbeitsprozesses entschieden werden.
Bearbeitungsbericht
Die Bearbeitung erfolgte stundenweise in der 20. und 21. KW 2020. Es wurden zuerst die Provenienz geprüft und ca. 0,1 lfm Unterlagen entnommen, die nicht aus dem Kontext "Rotes Kreuz" stammen. Der Rest wurde nach dem Bär'schen Prinzip geordnet und verzeichnet. Sofern vorhanden, wurde dabei die vorgefundene physische Formierung beibehalten (gebundene Akten). Lose Blätter wurden unter Beachtung des zeitlichen Zusammenhangs nach Sachbetreffen zusammengefaßt und in Dreiklappmappen formiert. Einige VE sind passten nicht in die vorhandenen Dreiklappmappen und sind noch umzuverpacken.
Die Verzeichnung erfolgte auf Ebene der Aktentitel, Enthältvermerke wurden nur für ausgewählte Verzeichnungseinheiten gebildet. Wegen fehlender Kapazitäten wurden nur einige VE mit Personalunterlagen nach Personennamen erschlossen. Hier könnte die Erschließung noch nachgebessert werden.
Bei der Verzeichnung fiel auf, daß der im StA MGN bis dato angenommene Laufzeitbeginn (1922) korrigiert werden mußte. Etwa ein Drittel der Verzeichnungseinheiten datiert vor dem Jahr 1933, die ältesten Unterlagen stammen aus dem Jahr 1889, dem Gründungsjahr des Bestandsbildners.
Von einer tieferen Gliederung des Bestandes wurde wegen der geringen Zahl der Verzeichnungseinheiten (28) abgesehen.
Die vorhandene Signatur (4-96-203) entsprach nicht der Richtlinie für die Erschließung und wurde korrigiert zu 4-96-2030. Auch der Bestandsname wurde angepaßt (neu: DRK-Sanitätskolonne Meiningen). Obwohl die letzte Bezeichnung des Bestandsbildners anders lautete (DRK-Bereitschaft MGN), trug dieser doch die überwiegende Zeit seines Bestehens (seit der Gründung am 23.05.1889 bis 1938) die Bezeichnung "Sanitätskolonne Meiningen".
Kassiert wurden lediglich Druckwerke (Meininger Lokalzeitungen sowie Doppelstücke von DRK-Zeitschriften). Die verbliebenen Druckwerke wurden als archivwürdig bewertet, da diese DRK-Zeitschriften ausweislich einer Recherche im Karlsruher Virtueller Katalog (KVK) nur in ganz wenigen Bibliotheken überhaupt (und dann lediglich unvollständig) vorhanden sind.
Bei der Bearbeitung wurden zahlreiche Fotopositivabzüge (überwiegend Paßbilder aus den Jahren 1930er Jahren) festgestellt. Ein historiografisch wertvolleres Konvolut liegt der VE 21 bei, diese Fotomaterialien datieren aus den Jahren 1903 bis ca. 1940 und sind noch unbedingt fachgerecht zu verpacken.
Eine Bestandsgeschichte kann mangels Daten nicht erstellt werden, eine Geschichte des Bestandsbildners ist ein Forschungsdesiderat. Ein gedrucktes Findbuch ist daher nicht vorgesehen.
Geschichte des Bestandsbildners und historischer Kontext
Die "(Freiwillige)Sanitäts-Kolonne Meiningen" wurde gegründet am 23.05.1889 als "Abteilung" des Meininger Militärvereins (als eine der Sanitäts-Colonnen des Süd-Thüringer Krieger-Bundes). Ab wann genau das Rote Kreuz als Träger der Sanitätskolonne fungierte, muß die Forschung erst noch ergründen.
Innerhalb des Deutschen Bundes existierte seit dem 20. April 1869 ein "Central-Comité der deutschen Vereine zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger" (aus zwölf deutschen Rotkreuz-Gesellschaften), welches sich am 13. Dezember 1879 in "Zentralkomitee der deutschen Vereine vom Roten Kreuz" umbenannte. Diese Vereine nahmen die Rolle der im ersten Genfer Abkommen von 1864 ausdrücklich erwähnten Hilfsgesellschaften zur Unterstützung der militärischen Sanitätsdienste ein und hatten die Aufgabe, Mittel oder im Kriegsfall auch Hilfsgüter zu beschaffen, Personal auszubilden und bereit zu halten und ggf. Reservelazarette einzurichten und zu betreiben.
Die "Sanitätskolonnen vom Roten Kreuz" organisierten sich auf Reichsebene seit 1896 in der "Führer- und Ärzteversammlung Deutscher Freiwilliger Sanitätskolonnen vom Roten Kreuz". Sie rekrutierten ihr Personal im Umfeld der Kriegervereine und waren mit diesen organisatorisch eng verbunden. Ab Ende der achtziger Jahre bildeten sich Sanitätskolonnen auch außerhalb der Kriegervereine, denen nunmehr auch ungediente Männer angehören konnten. Zu Beginn des 1. Weltkriegs hatten die Sanitätskolonnen ca. 74.000 Mitglieder in rund 2.200 Sanitätskolonnen.
Später unterstützen auch die "Genossenschaft freiwilliger Krankenpfleger", der "Verband Deutscher Frauen- und Pflege-Vereine" und ab 1908 "Deutsche Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien".
Nach dem I. Weltkrieg erfolgte auf Reichsebene 1921 die Gründung der nationalen Gesellschaft "Deutsches Rotes Kreuz" sowie des "Reichsverband Deutscher Sanitätskolonnen und verwandter Männervereinigungen vom Roten Kreuz".
Im Zuge der nationalsozialistischen Aufrüstungs- und Militarisierungspolitik wurde auch das Rote Kreuz mit neuen und gestiegenen Anforderungen konfrontiert. Am Ende des Krieges war die Organisation quantitativ stark gewachsen und vielfältiger Teil des NS-Kriegsführung. Entsprechend wurde die Organisation durch die sowjetische Besatzungsmacht vorerst verboten. Umso bemerkenswerter ist die aus den Unterlagen des Bestandes nachweisbare Organisationsfortführung bis in den August 1945.
Insgesamt kann anhand der überlieferten Unterlagen die Personalstruktur der DRK-Sanitätskolonne Meiningen seit der Gründung im Jahr 1889 sowie insbesondere die Personalrekrutierung während des Zweiten Weltkrieges recht detailiert dargestellt werden. Auch die soziale Praxis der Organisation bis in die 1920er Jahre kann zumindest grob rekonstruiert werden, während die konkreten Handlungsfelder während der NS-Zeit kaum erkennbar sind.
Literatur:
Clemens Heitmann, Das Deutsche Rote Kreuz der DDR und die "sozialistische Landesverteidigung". Paradigma oder Extremfall der Militarisierung im SED-Staat?; in: Deutschland Archiv: Zeitschrift für das vereinigte Deutschland 38 (2005), S. 667-674
Daniel-Erasmus Khan, Das Rote Kreuz: Geschichte einer humanitären Weltbewegung, München 2013
Birgitt Morgenbrod, Stephanie Merkenich, Das Deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur 1933 bis 1945, Paderborn 2008
Dieter Riesenberger, Das Deutsche Rote Kreuz. Eine Geschichte 1864-1990, Paderborn 2002