Preface
1. Behördengeschichte
Die Anfänge des Amts Rudolstadt, das von den Grafen von Orlamünde 1333 endgültig an die Grafen von Schwarzburg überging, dürften noch in die Orlamündische Zeit zurückreichen. Die Grafen von Schwarzburg hatten das Amt seit 1361 als böhmisches Lehen inne. Seit 1560 nahm der Rudolstädter Amtmann auch die Amtsgeschäfte des Amtes Blankenburg wahr, das erst 1829 als selbständiges Amt aus dem Amt Rudolstadt herausgelöst wurde. Seit 1841 führte das Amt Rudolstadt die Bezeichnung „Justizamt“, die sich dagegen für das Amt Blankenburg erst 1850 durchsetzte. Im gleichen Jahr wurden die Patrimonial- und Stadtgerichte aufgelöst und ihre Aufgaben den Justizämtern übertragen. In Folge dessen sind Unterlagen zahlreicher Vorprovenienzen in die Registraturen eingeflossen (Stadtgerichte Blankenburg, Rudolstadt und Teichel, Patrimonialgerichte Breitenheerda, Lichstedt, Tännich (im Amt Rudolstadt) bzw. Fröbitz, Geilsdorf, Quittelsdorf, Storchsdorf (im Amt Blankenburg).
Mit der Gründung des Landratsamts Rudolstadt wurden die Verwaltungsaufgaben abgetrennt und je ein Justizamt in Rudolstadt und Blankenburg errichtet. Das Justizamt Rudolstadt, dem mit der vorübergehenden Aufhebung des Landratsamtes Rudolstadt von 1858 bis 1868 ebenso wie dem Justizamt Blankenburg Verwaltungsbefugnisse übertragen wurden, wurde 1868 durch die Angliederung des Justizamtes Blankenburg erweitert und seit 1879 als Schwarzburgisches Amtsgericht, seit 1. Oktober 1923 mit verändertem Sprengel als Thüringisches Amtsgericht weitergeführt.
Die Integration von Testamenten der in den ehemaligen Amtsgerichtsbezirken Blankenhain (Altremda, Breitenheerda, Heilsberg, Kirchremda, Remda, Stadtremda, Sundremda, Thännrich), Kahla (Ammelstädt, Beutelsdorf, Dorndorf, Engerda, Etzelbach, Heilingen, Kleinkochberg, Kleinkrossen, Kuhfraß, Mötzelbach, Neusitz, Oberhasel, Partschefeld, Röbschütz, Rückersdorf, Uhlstädt, Zeutsch), Stadtilm (Thälendorf) und Saalfeld (Großkochberg, Rödelwitz) liegenden Orte erfolgte Ende 1923. Erst nach Abschluss dieser Neuordnung der Gerichtsbezirke wurde die Registratur des Amtsgerichts Rudolstadt neu geordnet. Dem Registraturprinzip folgend wurde die Abgrenzung zum Bestand "Thüringisches Amtsgericht Rudolstadt" anhand der sich mit dem Jahreswechsel 1923 / 1924 ändernden Registratursignatur nach dem Schema "V 208/1923" und nicht nach dem Stichtag der Behördenneuorganisation vorgenommen.
2. Archivische Bearbeitung
2.1. Übernahme
Die Umstände der Übergabe der Unterlagen an das Staatsarchiv Rudolstadt lassen sich nicht mehr rekonstruieren. Anhand der Findmittel, lässt sich nachweisen, dass ca. 2000 Akten um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert an das Staatsarchiv abgegeben wurden, die man, da dort zahlreiche Vorprovenienzen enthalten sind, deren Laufzeit teilweise im 16. Jahrhundert beginnt, als "Ältere Akten" bezeichnen kann.
1928 und 1933 erfolgten zwei große Abgaben erfolgt waren, die als "Amtsgericht Rudolstadt" gekennzeichnet waren. Allerdings war die mit diesen Bestandsbezeichnungen intendierte Provenienztrennung vom "Justizamt Rudolstadt" keineswegs erfolgt, sodass die jetzt gefundene Bestandsbezeichnung "Justizamt / Amtsgericht Rudolstadt" letztlich die seinerzeitige Inkonsequenz der Bestandsbildung offen legt und beschreibt. Der seinerzeit als archivwürdig bezeichnete Teil dieser Unterlagen wird, da es sich im Wesentlichen um Unterlagen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert handelte, als "Neuere Akten" bezeichnet.
Eine abschließende Abgabe durch das Amtsgericht Rudolstadt in den 1990er Jahren umfasste auch zahlreiche Testamente, die aus der Zeit des alten Justizamts und schwarzburgischen Amtsgerichts Rudolstadt stammen.
2.2. Bewertung
In den 1930er Jahren getroffene Kassationsentscheidungen, die in dem Behördenrepertorium durch Streichungen gekennzeichnet sind, hat man seinerzeit vermutlich im Hinblick auf die für den Ariernachweis geforderten genealogischen Forschungen nicht bzw. nur zum Teil umgesetzt, sodass die seitdem bestehenden Findmittel unzuverlässig wurden, da die als kassabel bezeichneten Unterlagen physisch aus dem Ursprungsbestand gelöst wurden. Diese Unterlagen werden zukünftig als "Kassanda" bezeichnet. Tatsächlich vernichtet wurden seinerzeit jedoch Akten zu Zwangsversteigerungen, Konkursverfahren und Hypotheken.
Den Bestandsumfang gaben Eberhard und Ruhe in der 1964 erschienenen Beständeübersicht des Landesarchivs Rudolstadt mit 209 Laufmetern an. Durch Abgabe der Grundakten an das Zentrale Grundbucharchiv der DDR in Barby reduzierte sich der Bestand erheblich, sodass er heute nur noch ca. 72 Laufmeter (ca. 6100 Archivalieneinheiten) umfasst.
2.3. Erschließung
Entsprechend der unterschiedlichen Abgaben existierten verschiedene Findmittel. Die "neueren Akten" wurden vermutlich nach der Übernahme Anfang des 20. Jahrhunderts durch eine handschriftliche Findkartei erschlossen. Die Neueren Akten scheinen nach der Übernahme 1933 und nach dem Abschluss der Bewertung bereits in den 1930er Jahren durch eine weitere ebenfalls handschriftliche Findkartei erschlossen worden zu sein. Der Teilbestand "Kassanda" dagegen wurde durch ein Behördenrepertorien erschlossen, das durch Streichungen und Herausnahme der "Neueren Akten" unübersichtlich geworden war. Der nach 1990 übernommene Teilbestand "Testamente" wurde durch eine maschinenschriftliche Abgabeliste erschlossen.
Jedes der Findmittel (und damit alle Teilbestände) war durch eine eigens entworfene Systematik gegliedert. dadurch und durch die Mehrfachnummerierungen (es bestanden drei bzw. nach der Herauslösung der Kassanda vier Teilbestände die unabhängig voneinander nummeriert waren!) war der Bestand schwer zu handhaben und bot ständig Anlass zu Fehlaushebungen.
2.4. Retrokonversion und Bestandsbearbeitung
Die Angaben zu allen vier Teilbeständen wurden zwischen 1997 und 2002 durch Jens Beger und Uwe Grandke in eine Datenbank eingegeben. Dabei beschränkte sich die Erschließung auf das Abschreiben der historischen Angaben (so genannte Retrokonvertierung). Lediglich bei den Provenienzangaben wurden die Amtsbezeichnungen standardisiert („Bürgermeister und Rat Blankenburg“ wurden zu „Stadtrat Blankenburg“, „Adeliges Gericht“ wurde zu „Patrimonialgericht“).
Im Sommer 2002 begann Herr Wolfgang Wintruff mit der Umsignierung und Zusammenführung der verschiedenen Überlieferungsschichten in ein einheitliches numerisches Signatursystem, diese Tätigkeit, zu der außerdem Frau Irina Boyarchuk und Herr André Schneider herangezogen wurden, war im Spätjahr 2004 abgeschlossen. Die Akten wurden dabei gereinigt, eindeutig signiert und revidiert. Eine Liste der bei dieser Revision als fehlend aufgefallenen Akten wurde zur Bestandsakte gegeben. Bei der Revision wurden einige ins Auge springende Unregelmäßigkeiten korrigiert (vor allem die falsche oder unvollständige Schreibweise von Namen).
Da für die verschiedenen Ablieferungen jeweils eigene Systematiken existierten, wurde für den Gesamtbestand eine einheitliche Systematik entwickelt. Der Bestand wird zusätzlich durch einen Orts- und Personennamenindex erschlossen. Dafür wurden die historischen Angaben behutsam normalisiert, indem Varianten der Personennamen zur modernen Schreibweise hin vereinheitlicht wurden (Beispiel: Die Einträge "Catharine Apolonia Schuster" und "Katharina Apolonie Schuster" wurden vereinheitlicht zu "Katharina Apolonia Schuster").
Eine Konkordanz der Altsignaturen dient der Auffindung anhand älterer Signaturen.
Die redaktionelle Bearbeitung dieses vorläufigen Findbuchs erfolgte durch Herrn Uwe Grandke. Das Korrekturlesen übernahm bereits im Herbst 2002 Frau Katrin Hertwig.
Nicht in das Findbuch aufgenommen wurden ca. 3 lfm unverzeichnete Akten, die im Herbst 2003 aus dem Bestand "Varia" herausgelöst wurden.
Rudolstadt im Januar 2005
Dr. Uwe Grandke
Oberarchivrat
Abkürzungsverzeichnis
a.D.|Außer Dienst
AG|Aktiengesellschaft
Co.|Kompanie
eGmbH|Eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung