Preface

Das Leitmotto der Gesellschaft "Eingedenk der alten Zeit" verweist auf die lange Tradition der Weimarer Stahlarmbrust-Schützengesellschaft. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis zu ihrer Auflösung 1945 führte die Gesellschaft im Briefkopf den Vermerk "besteht seit 500 Jahren".
Tatsächlich findet bereits im Roten Buch von Weimar 1393 ein Schützenmeister Dyther Erwähnung. Im Jahr 1491 nahmen Weimarer Schützen an einem Schützenfest in Saalfeld teil. Nachdem eine ältere Schützenordnung verloren gegangen war, erließ Herzog Johann Ernst II. 1680 eine Ordnung für die Weimarer Armbrustschützen. In einem Zweckverbund zur militärischen Verteidigung der Kommune wurzelnd, trat zunehmend die Geselligkeit für die Gesellschaft in den Vordergrund. Das Beharren auf der überkommenen Waffengattung, welches 1585 zur Abspaltung der Büchsenschützen führte, unterstrich den in erster Linie symbolischen Verteidigungscharakter der Gesellschaft. Die Gesellschaft, welche noch in den Statuten von 1891 mit einer Unterscheidung in Ehrenschützen, wirkliche Schützen, Ehrenmitglieder, wirkliche und admittierte Mitglieder sowie Witwen verstorbener Mitglieder eine ständische Gliederung vorsah, übernahm eine bedeutsame Funktion in der städtischen Geselligkeit der Residenzstadt. Auf den Schießfesten kamen die Bürger Weimars und Einwohner der umliegenden Orte zusammen, Schützen aus der Region wurden nach Weimar eingeladen, umgekehrt besuchten die Weimarer Schützen andereSchützenfeste. Zugleich dienten die jährlichen Lustblatt- und Vogelschießen insbesondere im 19. Jahrhundert zur volkstümlichen Repräsentation des Fürsten. Gleichwohl war das Verhältnis zur fürstlichen wie zur städtischen Obrigkeit nicht ungetrübt. Im 18. Jahrhundert kam es wiederholt landesweit zum Verbot des sonntäglichen Schießens. Mit der Stadt befand sich die Gesellschaft im Dauerzwist um Gerechtsame (wie z.B. die Einfuhr von Dorfbier zu den Schützenfesten oder die Nutzung des Schießplatzes). Im 19. Jahrhundert machten die entstehenden Vereine der Gesellschaft zwar Konkurrenz, die Mitgliederlisten aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verdeutlichen jedoch, dass die Armbrust-Schützengesellschaft vom Mittelstand getragen, aber von der Weimarer Oberschicht geführt wurde. Dabei befanden sich Fürsprecher der Gesellschaft am Weimarer Hof; der Großherzog wie auch der Erbgroßherzog wurden als Ehrenschützen geführt.
Der Ausbau des Vereinslokals ließ die Gesellschaft im 20. Jahrhundert zum Hort der Weimarer Vereins- und Geselligkeitskultur werden, zahlreiche Vereine hielten hier ihre Versammlungen, Konzerte und Bälle ab, aber auch kommerzielle Veranstalter nutzen das Gesellschaftshaus der Armbrustschützen. Zuletzt wurde das Lokal auch von politischen Parteien und Institutionen gemietet.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten versuchte man der Auflösung des Vereins mit dem Beitritt der schießenden Mitglieder in den Deutschen Schützenbund beizukommen. Für die Sowjetische Militäradministration waren damit 1945 die Bedingungen zur Auflösung gemäß des Befehles Nr. 126 erfüllt. Im selben Jahr kam der vorliegende Bestand in das heutige Thüringische Hauptstaatsarchiv Weimar. Weitere Einzelstücke konnte das Archiv 1994 durch Zukauf erwerben.

Der Bestand umfasst 596 Verzeichnungseinheiten im Umfang von 10,8 laufenden Metern aus dem Zeitraum von 1562 bis 1944. Der Großteil der Unterlagen stammt aus der Zeit vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Einen Schwerpunkt der Überlieferung bilden die jährlich angelegten Geschäftsakten, Jahresrechnungen und dazugehörigen Belege. Diese werden ergänzt durch Mitgliedslisten, Protokolle und Diarien. Letztere verzeichnen die Teilnahme der Schützen an Schießübungen. Eine Besonderheit stellt neben der Überlieferung von Fotographien seit Ende des 19. Jahrhunderts eine Sammlung von Kleinodien aus dem 16. bis 20. Jahrhundert dar.
Die seit den 1830er Jahren fast vollständig überlieferten Geschäftsakten umfassten einen Großteil des internen wie externen Schriftwechsel der Gesellschaft, brechen jedoch mit Beginn des 1. Weltkriegs ab, danach werden die Unterlagen sachthematisch getrennt angelegt. In der Registratur des Vereins wurde eine Bandzählung vorgenommen, die trotz ihrer Unvollständigkeit in die Verzeichnung einfloss.
Klassifikationsübergreifende Akten wurden der Klassifikationsgruppe 1.1. Allgemeine Geschäftsakten und sonstiger Schriftverkehr zugeordnet. Druckschriften, die nicht unmittelbar im Bezug zur Schützengesellschaft stehen, werden im Enthält-Vermerk aufgeführt.
Der Bestand beinhaltet nicht nur eine umfassende Überlieferung einer der am längsten existierenden Armbrust-Schützengesellschaften in Deutschland, sondern lässt anhand des Schriftverkehrs mit anderen Schützengesellschaften sowie örtlichen Vereinen auch Rückschlüsse auf die Geschichte anderer Gesellschaften und Vereine zu.

Archivrätin Dr. Katja Deinhardt beendete eine von Dr. Frank Boblenz zuvor begonnene Verzeichnung (Nr. 1-55) des Bestandes in den Jahren 2008 und 2010. Neben der Verzeichnung fand eine technische Bearbeitung statt, die Akten wurden z.T. in Mappen umverpackt und konservatorisch bearbeitet. Bei einigen wenigen Unterlagen wurde in die innere Ordnung eingegriffen bzw. Akten neu gebildet sowie Doppelstücke entnommen. Eine Kassation fand ebenfalls hinsichtlich unzuordenbarer Umschläge, Zettel und Zeitungsausschnitte statt.
Folgende Bücher wurden aus dem Bestand herausgelöst und der Bibliothek des Thüringischen Hauptstaatsarchivs übergeben:
- Auktions-Katalog enthaltend die Münzen- und Medaillen-Bestände der aufgelösten Firma Zschiesche &Köder, Leipzig u.A., II. Abteilung: 4. Geistlichkeit, 5. Altfürstliche Häuser, München 1911.
- Die Schützengesellschaft zu Eisenberg. Ein deutsches Bürgerbuch. Hrsg. von Hermann von Schroedel-Siemau, Halle/Saale 1926.
- Weimar's Album zur vierten Säcularfeier der Buchdruckerkunst am 24. Juni 1840, Weimar [1840].
- Die Sparkasse zu Weimar, ihre Gründung und Entwicklung bis zur Städtischen Sparbank Weimar. Ein Rückblick auf die Jahre 1821 bis 1926, Weimar 1927.
- Gold-Silber-Eisen, hrsg. vom Hessischen Landesmuseum in Kassel in Verbindung mit den Kasseler Ortsgruppen der Reichsverbände der Juweliere, Gold- und Silberschmiede und der Graveure und Ziseleure, Kassel [ca. 1929].
- Staats-Handbuch für das Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach 1843, Weimar [1843].

Die Gesellschaft nutzte während ihres Bestehens zahlreiche Namensvarianten. Für eine einheitliche Benennung wurde die im Auflösungsjahr 1945 im Briefkopf verwendete Bezeichnung "Privilegierte Stahlarmbrust-Schützengesellschaft Weimar" herangezogen und der Bestandsbezeichnung "Stahlarmbrust-Schützengesellschaft Weimar" zu Grunde gelegt.

Literatur:
- Gustav Lämmerhirt, Leben der Armbrustschützen im alten Weimar, in: Allgemeine Thüringische Landeszeitung Deutschland Nr. 30 v. 30.01.1931, Nr. 68 - 69 v. 9.3. und 10.3.1931.
- Gustav Lämmerhirt, Die Waffenfeste altweimarischer Bürger, in: Weimarische Landeszeitung Deutschland Nr. 341 - 342 v. 12-13.12.1917.
- Heinrich Habbicht, Geschichte der Büchsen-Schützen-Kompagnie zu Weimar, Weimar 1905.
- W. Genast, Aus drei Jahrhunderten der Armbrustschützengesellschaft in Weimar. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Bürgertums, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde, NF 2 (1883), S. 499-546.
- Geschichtlicher Überblick über den uralten Bestand der Armbrust-Schützen-Gesellschaft in Weimar zusammengestellt 1868 auf Grund der Akten derselben von W. Genast

Der Bestand Fotosammlung enthält ebenfalls Fotographien zur Stahlarmbrust-Schützengesellschaft.
Eine weitere Überlieferung der Stahlarmbrust-Schützengesellschaft wird im Stadtarchiv Weimar verwahrt.

Der Bestand ist exemplarisch wie folgt zu zitieren:
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Stahlarmbrust-Schützengesellschaft Weimar Nr. 1, Bl. 1.
Als Abkürzungen für das Archiv können ThHStAW oder ThHStA Weimar verwendet werden.



Weimar, den 1. September 2010
(ergänzt 17. Dezember 2012)

gez. Deinhardt