Preface

Es wird in den Publikationen über den Kirchenkampf relativ wenig erwähnt, dass es neben den beiden großen kirchenpolitischen und theologischen Fronten der DC (Deutsche Christen) und der BK (Bekennende Kirche) eine breite, in den Auseinandersetzungen zunächst aber kaum hervortretende 'M i t t e' gab, die sich 1937 als Wittenberger Bund organisierte. Die Keimzelle in Thüringen war eine kleine Gruppe von Theologen, die insbesondere von Friedrich Gogarten beeinflusst waren und schon in den 1920er Jahren die Finsterbergener Arbeitsgemeinschaft für Theologie auf reformatorischer Grundlage gebildet hatten. Dazu gehörten neben Oskar Ziegner als dem führenden Kopf die Pfarrer Dr. Karl Cramer, Hans Paul, Johannes Stöckigt und einige andere.
Erste Ansätze für eine bewusst kirchenpolitische Positionierung zeigten sich 1932, als man im Blick auf die Landeskirchentagswahl (1933) beschloss, dem Einigungsbund für reformatiorisches Kirchentum beizutreten, um so dem Machtzuwachs der Deutschen Christen entgegen zu wirken. Das Aktionsprogramm wurde besprochen, gemeinsam Grundsätze formuliert; doch der Wahlausgang bestätigte so eindeutig Macht und Kurs der DC, dass Ziegner die weitere synodale Arbeit für aussichtslos erklärte und mit seiner Gruppe den Einigungsbund verließ. Im August 1933 vollzog dieser dann ebenfalls die Selbstauflösung als kirchenpolitische Gruppe.
Wenig später sah man sich erneut veranlasst, Stellung zu beziehen. Es ging um die theologisch-kritische Auseinandersetzung mit der Erklärung der DC-Landesgemeinde vom Dezember 1933 durch Pfr. Ernst Otto. Ausgehend von der gleichen theologischen Grundkonzeption, bereitete man eine eigene Stellungnahme vor. Und als im Juni 1934 die Gründung der Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft für Thüringen erfolgte, im Juli 1935 dem landeskirchenrat die geistliche Leitung abgesprochen wurde, drängten die Theologen um Ziegner auf einen festeren Zusammenschluss der Amtsbrüder, die weder DC noch BK sein wollten, weil deren theologische Position ein Beitrag zu Frieden und Verständigung zwischen den sich bekämpfenden Fronten in der DEK (Deutsche Evangelische Kirche) sein könnte.
Diese neue Gruppierung sollte nach Ziegners Vorschlag die Bezeichnung 'Pfarrer der Mitte' oder 'Bund der Mitte' erhalten und ein Zusammenschluss auf möglichst breiter Grundlage sein. Ein weiteres Anliegen dieser Gruppe war die positive Einstellung zum Staat und seinen 'Befriedungsaktionen' sowie eine klare Abgrenzung gegenüber der als zu radikal und zu konfessionell empfundenen BK preussischer Observanz. Gegenüber der Thüringer BK gab es zwar auch Vorbehalte, aber doch einen gemeinsamen Nenner bezüglich der Ablehnung der nationalkirchlichen Bewegung und des von ihr getragenen Kirchenregimentes. Im August 1936 wurde ein Vertrauensrat von BK und Mitte gebildet und die weitere Zusammenarbeit vereinbart. Am 22. Juni 1937 erfolgte dann die Gründung des Wittenberger Bundes, dem sich alsbald auch die Gruppe der Mitte-Pfarrer in Thüringen anschloss und Julius Wessinger zum Landesobmann nominierte. Mit 160 Mitgliedern war die Gruppe wahrscheinlich größeer als die BK in Thüringen.
Die archivierten Akten belegen im wesentlichen die Aktivitäten dieser Landesgruppe und ihrer Beziehung zur Bundesleitung. Als Wessinger Ende 1939 zur Wehrmacht einberufen wird, fungiert Ziegner als Landesobmann und Oberpfarrer Siegfried Stössner als Geschäftsführer.
Letzte Stationen auf dem mitunter auch aus den eigenen Reihen kritisch bewerteten Weg waren die von BK und Mitte unternommenen Versuche, Fälle von Unrecht anzugehen und auszuräumen, eine Geistliche Betreuungsstelle für alle Nicht-DC-Pfarrer zu installieren (1941) sowie den Druck auf das Kirchenregiment mit seinen Irrlehren und Machtansprüchen zu erhöhen. Aber selbst die Konzessionen unter Präsident Rönck 1943 (Mitarbeit in Ausschüssen etc.) erwiesen sich als Trugschlüsse. Erst das Kriegsende und der Zusammenbruch brachten auch das Ende der DC-Ära und eröffneten die Chance für einen Neuanfang in der Thüringer evangelischen Kirche.

Den Grundstock des Bestandes mit der Bezeichnung WITTENBERGER BUND bilden jene Akten, die am 2. Mai 1978 vom damaligen Landesbischof D. Ingo Braecklein dem Archiv übergeben wurden (vgl. dazu Archiv-Altregistratur, Aktenzeichen "Arch 3025").
Braecklein, selbst ehemaliger 'Pfarrer der Mitte', hatte diese Akten bereits übernommen von Pfr. Julius W e s s i n g e r (bis zu seiner Einberufung 1939 Landesobmann des WB) und Oberpfr. Siegfried S t ö s s n e r (seit 1939 Geschäftsführer).
Als der Unterzeichnete im Herbst 2001 mit der Durchsicht und Verzeichnung begann, wurden schließlich noch die in der Auffangabteilung (C 2 - 7) deponierten Akten von Pfarrer Oskar Z i e g n e r, dem führenden Kopf des WB, dem neuen Bestand zugeordnet.
Mit den Akten von Pfr. Heinrich E l l e (Kassenwart des WB) umfasst der Bestand nun 29 Bände.

Anm.: Spezifizierte Angaben zum Akteninhalt finden sich jeweils auch auf dem Deckblatt zur Akte!

Pfr. Heinz Werner Koch (verstorben)