Preface
Gerhard Steiner wurde am 27.05.1905 in Hildburghausen als Sohn eines Lehrers geboren, der 1916 vor Verdun fiel. Nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums in Hildburghausen studierte er mit Unterstützung eines Onkels von 1925 bis 1929 in München und später in Jena Theaterwissenschaft, Germanistik, Pädagogik und Geschichte. 1928/1929 examinierte er für den Schuldienst und promovierte auch in Jena mit einem pädagogischen Thema. Von 1929-1940 war er im thüringischen Schuldienst tätig. 1940 wurde er in die Wehrmacht einberufen und wurde dort auf Grund seiner Fähigkeiten im psychologischen Dienst der Luftwaffe eingesetzt. Nach 1945 war er zunächst Angestellter und ab 1948 Direktor der Ernst-Abbe-Bücherei in Jena. Zu Beginn der 1950er Jahre ging er nach Berlin und begann eine wissenschaftliche Karriere in der Akademie der Wissenschaften. Nach seiner Habilitation 1958 erhielt er an der Universität Greifswald eine Professur zur deutschen Literaturgeschichte. Sein Arbeits- und Lebensmittelpunkt blieb aber Berlin. Nach seiner Emeritierung im Jahr 1970 wirkte er bis zu seinem Lebensende als freischaffender Schriftsteller. In den 1950er Jahren baute er gemeinsam mit Prof. Heinrich Scheel (1915-1996) die Georg-Forster-Forschung auf und verhalf sich und auch der DDR auf diesem Gebiet zu Weltruhm. So gehörte er zu den wenigen Gesellschaftswissenschaftler der DDR mit fast unbeschränkter Reise- und Publikationsfreiheit. So wurden zum Beispiel elf seiner 18 eigenständigen Bücher bis 1990 auch in der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht. In seinen späten Schaffensjahren widmete er sich verstärkt der Geschichte der Freimaurerei in Deutschland und der Geschichte seiner Heimatstadt Hildburghausen, mit der er sich immer eng verbunden fühlte und in der er seit 1990 Ehrenbürger ist.
Im Ergebnis des seit 2001 intensiv verfolgten Projektes Erinnerungskultur (Biografien/Nachlasserwerbung mit Schwerpunkt 1945-1990) konnte das Thüringische Staatsarchiv Meiningen nach längeren Verhandlungen Mitte des Jahres 2009 den Nachlass eines der bedeutendsten Literaturhistoriker der DDR, Gerhard Steiner, als Depositum übernehmen. Der Nachlass Steiners vornehmlich aus seinen letzten drei Lebensjahrzehnten von 1975-1995 befand sich bis dahin in den Händen seiner Tochter aus erster Ehe, Frau Ingrid Merbach-Steiner in Halle/Saale. Ein weitere Teil des Nachlasses des Gelehrten, vornehmlich seine wissenschaftlichen Arbeiten, befindet sich allerdings im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Wissenschaften in Berlin. Er ist vermutlichdurch Angehörige seiner zweiten Ehefrau Erika, die 1993 verstorben ist, dorthin gelangt.
Der Hallenser Teilnachlass wurde 2009 dem Staatsarchiv von der Tochter Ingrid in einem weitgehend ungeordneten Zustand übergeben, so dass sich eine komplette Neuordnung und intensive Verzeichnung per Augias 8.1. als unabdingbar erwiesen. Zwar hatte Steiner seine ungewöhnlich umfangreichen Korrespondenzen mit Wissenschaftlern und mit seinem Freundeskreis zu alphabetisieren versucht, diese Ordnung aber in seinen letzten Lebensjahren nicht mehr konsequent durchgehalten. Nach einer durchgehenden Neuordnung des Teilnachlasses wurden insgesamt 102 Akteneinheiten neu gebildet und in drei Bereiche strukturiert. 1. Korrespondenzen,
2. Wissenschaftliche Unterlagen und 3. Persönliche Dokumente. Den weitaus größten Teil, insgesamt 66 Akteneinheiten, nehmen die Korrespondenzen ein. Im Nachlass befinden sich über 1.000 Briefe an Steiner und von Steiner, denn Steiner antwortete meist in der Maschinenschrift und behielt den Durchschlag meist bei seinen Unterlagen. Eindeutiger Schwerpunkt dieser Schriftgutkategorie sind Korrespondenzen mit nationalen und internationalen Forsterforschern. Im zweiten Abschnitt des Nachlasses befinden sich vor allem die handschriftlichen Originalmanuskripte und Quellensammlungen seines Spätwerkes ab 1990. Das letzte Manuskript aus seiner Feder zur Geschichte des Papiermacherhandwerks in Südthüringen konnte erst 2006 von seiner Tochter Ingrid Merbach-Steiner veröffentlicht werden.