Bestandssignatur
4-10-0030
Laufzeit
1130 - 1752
Umfang
1.500 Stück
Findmittel
Inhalt
Einleitung
Die Verwaltung der Grafschaft Henneberg
Das Grafengeschlecht der Henneberger ist seit dem 11. Jahrhundert zuerst durch Graf Poppo I. (1049) nachweisbar und kann in ein genealogisches Abstammungsverhältnis zu den im Ostfränkischen beheimateten Babenbergern gesetzt werden. Erste grundherrliche Rechte übten die Grafen von Henneberg im nördlichen Grabfeld mit der Burg Henneberg bei Meiningen als Zentrum aus. Die Genese einer hennebergischen Territorialherrschaft zwischen dem Thüringer Wald und Henneberg sowie im Grabfeld beginnt im 12. Jahrhundert mit der Kumulation würzburgischer, bambergischer und hersfeldischer Lehen und der Erwerbung fuldischer Güter. Als prägend für die frühere Zeit kann der hennebergisch-würzburgische Antagonismus bezeichnet werden, dessen Ursprünge in der zur Zeit des Investiturstreits erfolgten Übertragung des Würzburger Burggrafenamts respektive der damit verbundenen Güter auf die Hen-neberger liegen. In Folge zweier Teilungen des hennebergischen Hauses 1245 und 1274 etablierte sich die Linie Henneberg-Schleusingen, ausgestattet mit dem hennebergischen Kernland sowie Schleusingen, als die bedeutendste, indem es Berthold VII. 1310 gelang, durch Ludwig den Bayern eine Erhebung der Schleusinger Linie in den Reichsfürstenstand zu erreichen. 1542 konnte schließlich noch das Amt Meiningen, welches schon seit 1434 pfandweise zur Grafschaft gehörte, an die Grafschaft gebracht werden. Eine entscheidende Weichenstellung für das Fortbestehen des hennebergisch-schleusingischen Besitzstandes erfolgte 1554 durch den Vertrag von Kahla, demzufolge im Falle eines Aussterbens der Schleusinger Linie deren gräfliches Territorium den wettinischen Ernestinern zufallen sollte, während diese dafür die Verbindlichkeiten des Grafenhauses übernahmen. Als im Jahre 1583 der letzte hennebergische Graf, Georg Ernst von Henneberg-Schleusingen, ohne Erben starb, wurde das Henneberger Territorium bis 1660 unter die gemeinsame Administration durch die Wettiner gestellt und zunächst ohne Partitionen verwaltet. Erst durch den Teilungsvertrag vom 9. August 1660 kam es zu einer Aufteilung der ehemaligen Grafschaft Henneberg-Schleusingen unter den Ernestinern und Albertinern, wobei den Ersteren sieben Zwölftel und den Letzteren fünf Zwölftel zufielen. Im Rahmen einer neuerlichen Teilung der ernestinischen Lande in Thüringen 1680/81 erhielt Herzog Bernhard I. schließlich das aus der hennebergischen Erbmasse herrührende Fürstentum Meiningen inklusive der entsprechenden Landeshoheit.
Bestandsgeschichte
Der Bestand Hennebergica Gotha (Urkunden) ist ein Teilbestand des historischen Gemeinschaftlichen Hennebergischen Archivs (GHA), welches wiederum einen Grundbestand des Staatsarchivs Meiningen darstellt. Jenes entstand in Meiningen im Zuge des Teilungsvertrages von 1660 als Sammelarchiv für das Registraturgut vormaliger hennebergischer Behörden und bildet damit das zeitgenössische Äquivalent eines Verwaltungsarchivs.
Dieser ursprünglich verwaltungsarchivische Charakter des GHA wird in mehreren Abtretungen von Archivalien an die jeweiligen an der Verwaltung des hennebergischen Gebiets beteiligten wettinischen Häuser im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts (1672, 1682, 1698) erkennbar. Ziel der teilweisen Aufteilung des Archivguts dürfte es aus Sicht der Administratoren gewesen sein, die Dokumentation ihrer Herrschafts- und Besitzrechte bei sich zu konzentrieren.
Im Zuge dieser Aufteilung gelangten auch die Urkunden des nunmehr separat überlieferten Bestandes Hennebergica Gotha (Urkunden) 1672 an das Haus Sachsen-Gotha. Entsprechend fanden selbige zuerst Eingang in die Bestände des 1921 gegründeten Thüringischen Staatsarchivs Gotha, bevor sie 1928 oder 1929 an das Thüringische Staatsarchiv Meiningen restituiert wurden.
Als Findmittel diente zunächst ein im April 1949 vor dem Hintergrund der Rückführung der zuvor kriegsbedingt ausgelagerten Akten und Urkunden nach Meiningen erstelltes „Repertorium der im Februar 1928 vom Staatsarchiv Gotha an das Gemeinschaftliche Hennebergische Archiv in Meiningen abgegebenen Archivalien“. Bei diesem Verzeichnis handelt es sich um eine Abschrift des Gothaer Repertoriums von 1759, das sich auf das „Geh. Archiv Tom. XIX H. 3. betr. Hennebergische Sachen und Themarische Expedition“ bezieht. Das Repertorium legte eine Gliederung der Urkunden in zwei Teile, H. 3. XVI und H. 3. XVII – XXII, nahe, wonach der erste Teil Lehnsurkunden und der zweite inhaltlich divergierende Urkunden enthalten sollte.
In den Jahren 1997/98 erfolgte eine Neuverzeichnung des Bestandes durch Johannes Mötsch, an deren Ende zwei neue, an der vorgegebenen Zweiteilung des Bestandes (Teil I: Nr. 1 – 1026, Teil II: Nr. 1027 – 1431) orientierte Findbücher standen. Das Findbuch für die Lehnsurkunden wurde alphabetisch nach den Familiennamen der Lehnsnehmer angelegt, wobei gemäß dem ursprünglichen Ordnungsschema und abweichend von der alphabetischen Reihenfolge das Geschlecht der von Gleichen den Anfang macht; innerhalb der Familien sind die Verzeichnungseinheiten chronologisch geordnet. Dies spiegelt sich auch in der alten aus Gotha stammenden Archivsignatur wider, die stets das jeweilige Adelsgeschlecht und die Nummer der Urkunde (nummerisch und/oder alphabetisch sortiert) enthält (Beispiel: He. 3. XVI. 52/1 = He. 3. XVI. (Hennebergica Gotha Lehnsurkunden), 52 (vom Stein), 1 (Urkunde Nr. 1)).
Bei der Anlage des Findbuchs für den zweiten Urkundenteil entschied sich Mötsch hingegen für eine konsequent chronologische Ordnung.
Im Zuge einer Bestandsrevision 2019 bis 2021, bei der auch die vormalige Lagerung der in Kartonpapier eingeschlagenen Urkunden in Stahlschränken zugunsten einer Verwahrung in normgerechten Urkundenkartons aufgehoben wurde, erfuhr die historische Klassifikation eine grundlegende Überarbeitung.
Zudem wurden die Verzeichnungsdaten aus dem Word-Dokument der Neuverzeichnung in das Archivfachinformationssystem AUGIAS retrokonvertiert, alle Urkunden des Bestands respektive deren Regesten archivwissenschaftlich überprüft, gegebenenfalls korrigiert und teilweise umsigniert. Nicht zuletzt schloss die Bearbeitung eine Trennung bislang als Archivalieneinheiten verzeichneter Konvolute ein.
Bestandsanalyse
Der Bestand umfasst 1500 Verzeichnungseinheiten bei 18,6 lfm. und ist vollständig tief erschlossen. Wenn die Zahl der verzeichneten Urkunden nun um 80 größer ist als der von Ernst Müller 1960, S. 14 noch festgestellte Umfang von 1420 Urkunden, so liegt die Diskrepanz in der im Rahmen der Bearbeitung mehrfach durchgeführten Trennung vormals mehrere Schriftstücke umfassender Verzeichnungseinheiten begründet.
Die Urkunden reichen vom 12. bis ins 18. Jahrhundert (konkret vom Jahr 1130 bis 1752), wobei die überwiegende Mehrzahl aus dem 15. und 16. Jahrhundert datiert. Überliefert sind Ausfertigungen, Konzepte oder unbeglaubigte wie auch beglaubigte Abschriften (Vidimi, Confirmationes). Sowohl die Verwaltung wie auch die Rechtesicherung der hennebergischen Grafschaft unter den Grafen von Henneberg einerseits und unter wettinischer Herrschaft andererseits werden durch zahlreiche Urkunden bzw. Reverse fassbar.
Alle Verzeichnungseinheiten sind in säurefreien Urkundentaschen verpackt und diese wiederum in fachgerechten Archivstülpkartons untergebracht.
Der in Rede stehende Bestand dokumentiert aufgrund seines großen Anteils an Lehnsurkunden und -reversen die lehnsherrlichen Verhältnisse in der gefürsteten Grafschaft Henneberg auf der einen und die Genealogie des niederen Adels in der hennebergischen Einflusszone auf der anderen Seite, sodass dieser Urkundengattung gerade für die genannten Themenkomplexe ein großes Forschungspotential beizumessen ist. Darüber hinaus enthält er auch eine Vielzahl von Urkunden anderen Inhalts, die dazu geeignet sind, das süd- bzw. südwestthüringische Ämterwesen zu beleuchten, wobei dasselbe sowohl im Sinne seit dem Spätmittelalter zunehmend auftretender Verwaltungsbezirke wie auch eines auf Personen übertragbaren Funktionsapparates zu verstehen ist.
Des Weiteren sind in den Hennebergica aus Gotha mannigfaltige andere Rechtsgeschäfte überliefert, die von Verkäufen über Verpfändungen bis hin zu Verträgen sowie religiös motivierten Stiftungen und Übertragungen reichen. Dabei erlauben gerade Letztere einen Blick in das Kirchen- und Klösterwesen in der Grafschaft Henneberg sowie in die Beziehungen des Grafenhauses zu Stift und Kloster Fulda.
Demnach bietet der Bestand Hennebergica Gotha (Urkunden) künftigen einschlägigen Forschungsvorhaben eine notwendige Quellenbasis, von welcher aus zahlreiche Aspekte der Thüringer Landesgeschichte, der Thüringer (Adels-)Genealogie oder auch der regionalen Kirchengeschichte bearbeitet werden können.
Nutzungshinweise
Die Verzeichnung der weitaus meisten Lehnsurkunden in AUGIAS auf der Basis einer alphabethischen Ordnung nach Familiennamen (s. o.) ermöglicht einen schnellen Zugriff bei der Benutzung für genealogische Forschungen.
Vor 1500 datierende Urkunden wurden bestandsübergreifend grundsätzlich vollregestiert, alle jüngeren in Form von Kurzregesten präsentiert. Zu beachten ist dabei der Versuch, alle in den Regesten vorkommenden Ortsnamen der aktuellen, wenn möglich amtlichen Schreibweise folgend wiederzugeben und – wo notwendig – die Schreibweise der Vorlage in runden Klammern anzuhängen. Dennoch begegnen weiterhin Fälle, in denen dies einwandfrei möglich war.
Sphragistische Beschreibungen erfolgten für jedes vorkommende Siegel einmal. Bei jedem erneuten Auftreten wurde nur noch auf die Vollbeschreibung unter Angabe der Signatur und bisweilen auch der Datierung verwiesen. Darüber hinaus enthalten die Regesten vielfach in runde Klammern eingefasste, den siegelnden Personen vorangestellte Zahlen, die auf die Reihenfolge hinweisen, in der die Siegel von links nach rechts an der Urkunde angebracht sind. Zu beachten ist weiterhin, dass Siegelbeschreibungen der im Enthältvermerk verzeichneten Beilagen nach Abtrennung durch ein Semikolon der Beschreibung der Siegel der Haupturkunde hintangestellt sind.
Bei der Auflösung der Datumszeile ist zu berücksichtigen, dass die Grafschaft Henneberg kirchenrechtlich bis etwa zur Einführung der Reformation der Mainzer Kirchenprovinz zugehörte, in welcher nach dem Weihnachtsstil datiert wurde (stilus Moguntinus). Das neue Jahr begann demnach am 25. Dezember vor dem heute üblichen Jahresanfang am 1. Januar. Diese Praxis hielt sich bis ins 16. Jahrhundert, als sie sukzessive vom Circumcisionsstil (1. Januar) abgelöst wurde.
In der Verzeichnung zitierte Sekundärliteratur
Dobenecker, Regesta - Dobenecker, Otto: Regesta diplomatica necnon epistolaria historiae Thuringiae (Vol. 1-4). Jena 1896 – 1939.
Erb, Schwallungen - Erb, Karl Erb: Ortsgeschichte des Dorfes Schwallungen a. d. Werra. Meiningen 1938.
Franz, Familienarchiv - Franz, Eckart G.: Familienarchiv Wolf von Todenwarth (Abt. B 22/O 4). Darmstadt 1984.
Füßlein, Berthold VII. - Füßlein, Wilhelm: Berthold VII. Graf von Henneberg. Ein Beitrag zur Reichsgeschichte des XIV. Jahrhunderts. Altenburg 1905.
HUB - Brückner, Bechstein, Schöppach (Hg.): Hennebergisches Urkundenbuch (Vol. 1-7). Meiningen 1842 – 1877.
Kloos, Nachlaß - Kloos, Rudolf M.: Nachlaß Marschalk von Ostheim. Urkunden. Neustadt a. d. Aisch 1974.
Krabbo/Winter, Regesten - Krabbo, H./Winter, G. (Bearb.): Regesten der Markgrafen von Brandenburg aus askanischem Hause. Leipzig u. a. 1910 – 1955.
MB - Bayerische Akademie der Wissenschaften (Hg.): Monumenta Boica (Vol. 1-60). München 1763 – 1956.
Posse, Adel - Posse, Otto: Die Siegel des Adels der Wettiner Lande bis z. J. 1500 (Vol. 1-5). Dresden 1903 – 1917.
Schultes, Beiträge - Schultes, Johann A. von: Neue diplomatische Beiträge zu der Fränkischen und Sächsischen Geschichte (Vol. 1). Bayreuth 1792.
Schultes, Beschreibung - Ders.: Historisch-statistische Beschreibung der gefürsteten Grafschaft Henneberg. Mit Urkunden (Vol. 1-6). Hildburghausen 1794 – 1815.
Schultes, Geschichte - Ders.: Diplomatische Geschichte des gräflichen Hauses Henneberg (Vol. 1-2). Leipzig u. a. 1788 – 1791.
Wagenhöfer, Bibra - Wagenhöfer, Werner: Die Bibra. Studien und Materialien zur Genealogie und zur Besitzgeschichte einer fränkischen Niederadelsfamilie im Spätmittelalter. Neustadt a. d. Aisch 1998.
Weth, Siegelwesen - Weth, Ludwig: Studien zum Siegelwesen der Reichsabtei Fulda und ihres Territoriums. Darmstadt/Marburg 1980.
Zickgraf, Herrenbreitungen - Zickgraf, Eilhard: Beiträge zur Geschichte der Abtei Herrenbreitungen, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde vol. 61 (1936), S. 17-34.
Literaturhinweise
- Heß, Ulrich: Geschichte der Behördenorganisation der thüringischen Staaten und des Landes Thüringen von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Jahre 1952. Jena 1993.
- Ders.: Henneberg, Grafen von, in: Neue Deutsche Biographie (8). Berlin 1969, S. 536 – 538.
- Müller, Ernst: Übersicht über die Bestände des Landesarchivs Meiningen. Weimar 1960.
- Philippi, Hans: Die Wettiner in Sachsen und Thüringen. Limburg 1989.
- Raßloff, Steffen: Geschichte Thüringens. München 2010.
Korrespondierende Bestände
Landesarchiv Thüringen
4-10-0010 GHA (Urkunden)
4-10-0020 GHA (Urkundennachträge)
4-10-0040 Hennebergica Magdeburg (Urkunden)
4-10-0050 Hennebergica Weimar (Urkunden)
4-10-0060 Herrschaft Schwarza (Urkunden)
4-10-0100 GHA (Kopialbücher)