Vorwort
Institutionsgeschichte
Die Gründung eines Klosters im Rottenbachtal ist eng verbunden mit Herkunft und Leben der Stifterin Paulina (* um 1067, † 1107), Tochter eines Lehnsmanns des Königs Heinrich IV. (* 1050, † 1106). Paulinas Vater lebte als Mönch im schwäbischen Kloster Hirsau, dem deutschen Mutterkloster der cluniazensischen Reform. Zwischen 1102 und 1105 erfolgte die Gründung des zunächst Marienzelle genannten Klosters durch Paulina. Es wurde 1106 durch den Papst bestätigt und schloss sich 1107 der Hirsauer Reformbewegung an. Paulina starb auf einer Reise zum Kloster Hirsau im Jahr 1107. Auf ihre Bitte waren im gleichen Jahr bauerfahrene Mönche aus Hirsau unter Leitung des Abtes Gerung nach Marienzelle gekommen. Wesentliche Teile der 1124 geweihten, dreischiffigen Basilika entstanden nach dem Vorbild der Klosterkirche in Hirsau und entsprechen in ihrer klaren und schmucklosen Ausführung dem Ideal des burgundischen Klosters Cluny. Als 1122/23 das Grab der Stifterin unter dem Chor der Kirche seinen Platz fand, wurde für das Kloster der Name Paulinzella gebräuchlich.
Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts war Paulinzella ein Doppel-, dann nur noch Mönchskloster. Das Kloster erwarb durch Schenkungen und Kauf Landbesitz in 52 Orten, 19 Orte unterstanden ihm direkt. Das Kloster, über das die Grafen von Schwarzburg die Vogtei ausübten, wurde nach Einführung der Reformation in der Grafschaft Schwarzburg im Jahre 1534 aufgehoben und sein Besitz säkularisiert. Die Mönche wurden des Klosters verwiesen, nur der Abt und sein Dienstpersonal behielten Wohnrecht auf Lebenszeit.
Seit dem 16. Jahrhundert diente Paulinzella den Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt als Amt. Sie ließen neben der Klosterkirche ein Jagdschloss erbauen und nutzten die Wirtschaftsgebäude für ihre Zwecke. Die ausgedehnten Wälder um Paulinzella dienten als Austragungsort aufwändiger Jagden und lieferten die qualitätsvollsten Hölzer der gräflichen Forste.
Bestands- und Bearbeitungsgeschichte
Vermutlich im Zuge der Säkularisierung des Klosters sind dessen Urkunden von der schwarzburgischen Verwaltung übernommen und zur Sicherung der mit dem Kloster verbundenen Rechte archiviert worden. Alle Urkunden tragen die Kennzeichnung "PD" (für Paulinzellaer Dokumente), "No." (mit folgender in arabischen Ziffern geschriebenen Signatur) und "Anno" (ebenfalls in arabischen Ziffern). Wann diese Kennzeichnung erfolgte, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Eventuell sind die Vermerke "PD" und "Anno" älter als die Kennzeichnung "No.".
Der Bestand scheint jedoch spätestens im 18. Jahrhundert abgeschlossen zu sein: die älteste kopiale Überlieferung (jetzt Hessesche Collectaneen A VIII 7a Nr. 16), die anhand des paläographischen Befunds in die Mitte des 18. Jahrhunderts datiert wird, beinhaltet jedenfalls den Gesamtbestand der Originalurkunden entsprechend der Altsignaturen. Diese Abschriften bestehen aus einem sehr kurz gefassten Rubrum sowie einer wortgetreuen Wiedergabe des Originaltextes der Urkunden. In einigen Fällen sind Beglaubigungsmittel abgebildet. Die Abschriften wurden in zwei Bänden gebunden.
Eine weitere kopiale Überlieferung dürfte zeitlich etwas später entstanden sein, sie ist heute als Kopialbuch Nr. 81 überliefert und dürfte dementsprechend aus dem Sondershäuser Archiv stammen. Die unter der Bezeichnung "Diplomata et Documenta ex Archivo Rudolphopolitanum specialia depromta praeprimis cellam sanctae Paulinae concernantia" aufgeführten Urkundenabschriften sind mit Sicherheit keine Abschrift der beiden o.g. Bände. Sie entstanden vermutlich aus einer unbekannten kopialen Überlieferung. Kopialbuch Nr. 81 unterscheidet sich nämlich von A VIII 7a Nr. 16 durch sehr viel ausführlichere Rubren und den Verzicht auf die Darstellung der Beglaubigungsmittel. Es erfasst jedoch nur die Urkunden mit der Altsignatur 1 bis 244, bei letzterer bricht die Abschrift auf der Seitenmitte mitten im Wort ab, ein Hinweis darauf, dass diese Abschrift nicht aus den Originalen erfolgte, sondern aus einem unvollständigen Kopialbuch.
Warum die beiden hier aufgeführten Abschriften die Altsignaturen der Paulinzellaer Urkunden in römischen Zahlen angeben, während die archivischen Vermerke auf der Rückseite der Urkunden bereits arabische Ziffern verwendeten, bleibt rätselhaft.
1786 erstellte der Archivar Leopold Ludwig Schwartz ein Inventarium über die im Archiv zu Rudolstadt "befindlichen Paulinzellischen Documente". Dieses bis zum heutigen Tage als Findmittel gebrauchte Repertorium (B1-11) besteht aus einem Kurzregest sowie ggf. Anmerkungen zum Erhaltungszustand und Siegelbeschreibungen. Die Nummern der Urkunden sind in arabischen Zahlen erfasst. Das Inventar verfügte über einen Generalindex (Orts- und Personennamen) und ergänzte dadurch die Kopialbücher in glücklicher Weise. Die Kurzregesten scheinen sich an den in den Kopialbüchern verwendeten Kopfregesten anzulehnen.
Es kann nicht nachvollzogen werden, nach welchen Kriterien die Urkunden noch 1786 geordnet waren. Bemerkenswert ist jedoch, dass diese Ordnung nach numerus currens bereits im 18. Jahrhundert angewandt wurde, einer Zeit, in der vergleichbare Urkundenbestände im Rudolstädter Archiv nach Sachgebieten geordnet waren. Lediglich die Altsignatur 306 schien bereits Mitte des 18. Jahrhunderts zu fehlen (Vermerk in Hessesche Collectaneen A VIII 7a Nr. 16 Bd. 2, Nr. 306: "manquiert das Original", Schwartz: "Es mangelt dieses Document"), eine Unregelmäßigkeit die jedoch eine Umsignierung keineswegs erforderlich machte, zumal die eindeutige Identifikation der Urkunden und die Verknüpfung mit der bestehenden kopialen Überlieferung gewährleistet war.
1873 veranlasste der Archivar Bernhard Anemüller eine Neusignierung ebenfalls nach numerus currens. Die Umsignierung erfolgte, so der Vermerk Bernhard Anemüllers im Schwartzschen Inventar, mit dem Ziel einer chronologischen Ordnung der Paulinzellaer Dokumente, wobei allerdings diese chronologische Ordnung nicht konsequent erreicht wurde. Dieser Eingriff in den Urkundenbestand machte die Benutzung einer Konkordanz erforderlich.
Der Sohn Bernhard Anemüllers, Prof. Ernst Anemüller, veröffentlichte zwischen 1889 und 1905 "namens des Vereins für thüringische Geschichte und Altertumskunde" das Urkundenbuch des Klosters Paulinzelle. Auf Vorarbeiten seines Vaters aufbauend hat er neben den Originalurkunden auch ein im Staatsarchiv Sondershausen liegendes "Copiale Paulincellense" herangezogen. Ob dieses als das heutige Kopialbuch Nr. 81 oder als dessen heute unbekannter Vorgänger identifiziert werden kann, sei dahingestellt. Bemerkenswert ist, dass Anemüller die Rudolstädter kopiale Überlieferung (also Hessesche Collectaneen A VIII 7a Nr. 16) nicht heranzog. Dies verwundert umso mehr, als die Sondershäuser kopiale Überlieferung unvollständig war.
Das gedruckte Anemüllersche Urkundenbuch, dessen Vorbemerkungen wenig umfangreich sind und vor allem auf eine Beschreibung der herangezogenen Originalbestände verzichteten, gilt wegen seiner umfangreichen Indizes als sehr gutes Werkzeug. Dadurch entstand der Eindruck das Paulinzeller Urkundenbuch erschließe den Gesamtbestand der Paulinzeller Dokumente vollständig, was jedoch einer genauen Nachprüfung nicht standhielt. Schon 1974 stellte Rudolf Ruhe anlässlich einer Revision fest, dass 41 Urkunden eigentlich nicht zum Bestand gehören, da sie nicht das Kloster Paulinzella betrafen. Dieses Ergebnis hat er in einem weiteren Vermerk im Schwartzschen Inventar verzeichnet. Übrigens weist auch der historische Titel des Kopialbuchs Nr. 81 (". . . praeprimis cellam Paulinae concernetes") darauf hin, dass die nicht Paulinzella betreffenden Urkunden den zeitgenössischen Archivaren bekannt waren.
2006 wurde zur Vorbereitung einer Umlagerung des Urkundenbestands das Paulinzeller Urkundenbuch eingescannt und mittels OCR-Software (optical character recognition) ein Textdokument erstellt, welches in die Erschließungsdatenbank des Staatsarchivs Rudolstadt überspielt wurde. Dabei fiel auf, dass die 41 von Ruhe 1974 benannten Urkunden im Paulinzeller Urkundenbuch nicht erwähnt werden (sie werden auch nicht im Vorwort als Fremdkörper identifiziert). Daher wurden 2006 für diese 41 Urkunden (die vor allem die Städte Nordhausen und Königsee sowie die Klöster Saalfeld und Stadtilm betreffen) Kurzregesten erstellt, wobei hierzu das Schwartzsche Inventar und die kopiale Überlieferung (die in vielen Fällen einfacher zu lesen ist als die Originale) hinzugezogen wurden.
Ernst Anemüller hat für das Paulinzeller Urkundenbuch in vielen Fällen vollständige Abschriften der Urkunden gegeben, insbesondere bei Urkunden nach 1350 beschränkte er sich jedoch vielfach auf Regesten. Diese Ungleichmäßigkeit entsprach dem zeitgenössischem Gebrauch der Mediävistik, auch heute ist sie im Übrigen Standard. Insofern war bei dem diesem Findbuch als Grundlage dienenden Urkundenbuch Ungleichmäßigkeit der Darstellung gegeben. Sofern Anemüller buchstabengetreue Transkriptionen veröffentlichte, werden diese hier wiedergegeben, fehlende Transkriptionen wurden jedoch nicht erarbeitet, auch für die von Anemüllers Urkundenbuch nicht berücksichtigten 41 Urkunden wurden jetzt keine Transkriptionen angefertigt.
Die Hinweise Anemüllers auf Drucke berücksichtigten nur die bis 1889 bzw. 1905 erschienenen Bände der Monumenta Germaniae Historica oder der Regesta Imperii. Selbstredend konnten nach 1889 bzw. 1905 erschienene Urkundenwerke wie das Mainzer Urkundenbuch (seit 1932 erschienen) und das so genannte Göttinger Papsturkundenwerk (seit 1906) nicht berücksichtigt werden, da diese erst später begonnen wurden. Auf eine Aktualisierung der noch von Anemüller stammenden Hinweise auf wissenschaftliche Drucke wurde 2006 verzichtet. Ebenfalls wurden die umfangreichen Hinweise Anemüllers auf die von ihm aufgefundenen Regesten und Drucke hier nicht aufgenommen. Es wird daher lediglich auf das Vorhandensein weiterer Drucke im Urkundenbuch Paulinzelle verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Originale und Abschriften wurde jetzt so verfahren, dass Hinweise auf weitere Originale im Staatsarchiv Rudolstadt und im Hauptstaatsarchiv Weimar aufgenommen wurden. Hierzu wurde die heute gültige Signatur angegeben. Herrn Volker Graupner sei für die Mitteilung der jetzt gültigen Signatur der Urkunde Nr. 1502 im Ernestinischen Gesamtarchiv zu Weimar gedankt.
Die Hinweise auf die kopiale Überlieferung wurde beschränkt auf die beiden hier bereits erwähnten umfänglichen, den Gesamtbestand betreffenden Abschriften (Kopialbuch Nr. 81 und Hessesche Collectaneen A VIII 7a Nr. 16).
Zur Vorbereitung der Sicherungsverfilmung wurde der Urkundenbestand 2008 vollständig revidiert und die noch fehlenden Angaben zum Umfang der Dokumente (Länge x Breite, bzw. Seitenzahl bei aktenmäßig gebundenen Urkunden) erhoben. Im Zuge der Revision stellte sich heraus, dass zwei Urkunden (14a und 329 a) in den 1930er Jahren vom damaligen Landesarchiv Gotha nach Rudolstadt abgegeben wurden. Beide Urkunden (der Provenienzen Kloster Heusdorf und Familie von Witzleben) verbleiben in dem Bestand, der ja ohnedies Züge eines Pertinenzbestandes aufweist.
Zu den Fremdprovenienzen
Die Fremdprovenienzen lassen sich im Wesentlichen den Städten Nordhausen und Königsee sowie den Klöstern Saalfeld und Stadtilm zuschreiben. Eine weitere Gruppe stammt aus Heringen und Keula und betrifft dort in vielen Fällen den Vogt Ulrich von Brücken. Da der Urkundenbestand nachweislich seit Mitte des 18. Jahrhunderts im jetzigen Umfang bestand, ist es möglich, dass diese Urkunden sich tatsächlich auch schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts im Urkundenkorpus befanden. Es bleibt aber letztlich ungeklärt, warum diese Urkunden den "Paulinzellaer Dokumenten" eingefügt wurden. Lediglich für die Urkunden 14a (Provenienz Kloster Heusdorf) und 329a (Provenienz von Witzleben) lässt sich nachweisen, dass diese als Paulinzella betreffende Dokumente (also nach dem Pertinenzprinzip) um 1930 vom Landesarchiv Gotha nach Rudolstadt abgegeben wurden.
Für andere Urkunden fremder Provenienz könnte eine Erklärung darin bestehen, dass es sich um Besitztitel der Vorbesitzer handelte, die beim Übergang des Besitzes an das Kloster Paulinzella (oder dessen Rechtsnachfolger) vom Vorbesitzer als Nachweis des rechtmäßigen Erwerbs übergeben wurden. Diese Theorie müsste allerdings in aufwändigen Einzelstudien überprüft werden, die beispielsweise eine eindeutige Identifikation der erworbenen Grundstücke und Rechtstitel notwendig machen. Es lässt sich allerdings in einem Fall eine solche Übergabe nachweisen: Urkunde 266 handelt von der Übergabe aller Briefe, Register und Urkunden über ehemals einem Günther Podwicz gehörende Güter in Walschleben bei Stadtilm durch die Vorbesitzer an das Kloster Paulinzella im Jahre 1456. Die Urkunde 116b (1365, Dezember 6) handelt von einem Zinsgeschäft des Heinrich von Lengefeld in Walschleben, an dem ein Heinrich Bodewitz beteiligt war. Möglicherweise gehört die Urkunde 116b zu den laut Urkunde 266 im Jahr 1456 übergebenen Dokumenten.
Dieser Erklärungsversuch dürfte aber mit Sicherheit für die keine Besitztitel darstellenden Urkunden nicht greifen. So wird beispielsweise immer ungeklärt bleiben, warum ein Urfehdebrief des Heinrich Goldschmied aus Sondershausen oder ein Bittschreiben des Straßburger Reformators Caspar Hedio in den Bestand aufgenommen wurden.
Rudolstadt im Juli 2008
Dr. Uwe Grandke
Oberarchivrat
Literatur:
Stumpf, Acta Maguntina
Lindner, Annal. Paulino-Cellens.
Weber, Dissert. de refutatione feud. imp.
Schumacher, Vermischte Nachrichten, 4. Sammlung
Wenck, Hessische Landesgeschichte II. Urkb. S. 502 (nach Schlegel).
J. A. v. Schultes, Historische Schriften II.
Jovius, Chron. Schwarzburg. S. 153,
Kreysig, Diplomat. titulare S. 222 (nach Webers Druck),
Schultes, Dir. dipl. II. S. 54 f N. 181,
Böhmer, Regg. 2245, Stumpf, Regg. 3466. - Vgl.
Hesse, Gesch. d. Kl. Paulinzelle S. 44.