Vorwort
Herzogin Adelheid von Sachsen-Altenburg geb. Prinzessin von Schaumburg-Lippe wurde am 22. September 1875 im böhmischen Ratiboritz, wo sich die Sommerresidenz ihrer Eltern befand, geboren. Die Eltern waren Wilhelm zu Schaumburg-Lippe, Herr über die Sekundogenitur der Herrschaft Nachod (Böhmen), und dessen Gattin Bathildis geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau. Bei ihrer Taufe am 22. November 1875 erhielt sie die Namen Adelheid Friederike Marie Hilda Louise Eugenie.
Adelheid wuchs wohl umsorgt und ebenso erzogen im Kreise ihrer Familie auf. Die Familie mit insgesamt neun Kindern erhielt dabei Unterstützung von Erzieherinnen und Kindermädchen, durch die die Prinzessin insbesondere eine schöngeistig geprägte Erziehung und Bildung genoss. Doch nicht nur Musik- und Klavierunterricht, sondern auch die Vermittlung von Wissen in Geschichte, Kunstgeschichte, Geografie und Deutsch sowie in den Sprachen Englisch und Französisch trugen dazu bei, dass sie zu einer gebildeten Persönlichkeit heranwuchs. Zu ihrem Elternhaus und ihren Geschwistern pflegte sie bis zu ihrem Tode, auch trotz der späteren Teilung Deutschlands, eine enge Bindung.
Während der Feierlichkeiten zum 25-jährigen Regierungsjubiläum des Herzogs Friedrich I. von Anhalt in Dessau am 26. Mai 1896 lernte Adelheid den Prinzen Ernst von Sachsen-Altenburg (geboren am 31. August 1871) kennen. Seitens der Häuser Anhalt und Schaumburg-Lippe bestanden zu dieser Zeit bereits familiäre Verbindungen zum Hause Sachsen-Altenburg. Die sich aus diesem Kennenlernen entwickelnde Zuneigung führte dazu, dass Ernst und Adelheid sich am 24. März 1897 in Bückeburg verlobten und schließlich am gleichen Ort am 17. Februar 1898 heirateten. Gemeinsam nahmen sie eine Wohnung in Potsdam, wo Prinz Ernst beim 1. Garderegiment zu Fuß diente. Während dessen militärischer Dienstzeit ließ Adelheid keine Gelegenheit aus, sich bei der Verwandtschaft ihres Mannes gleichwohl beliebt zu machen, wie sie es auch in ihrer Familie war.
In Potsdam brachte Adelheid alle vier Kinder des Paares zur Welt: Charlotte Agnes (1899), Georg Moritz (1900), Elisabeth (1903) und Friedrich Ernst (1905). Sie setzte alles daran, den Kindern - ihrer eigenen Erziehung und Ausbildung gleich - ein unbeschwertes Leben und eine solide Bildung zu ermöglichen.
Durch den Tod des regierenden Herzogs Ernst von Sachsen-Altenburg (Ernst I.) am 07. Februar 1908 übernahm ihr Gatte von seinem Onkel noch am selben Tage als Herzog Ernst II. die Regierung des Herzogtums. Adelheid verkörperte an dessen Seite nun eine Landesmutter, die im Herzogtum hoch angesehen war. Schließlich wollte sie ihren Schwestern Charlotte (Königin von Württemberg) und Bathildis (Fürstin zu Waldeck und Pyrmont) ebenbürtig sein. Sie engagierte sich in verschiedenen karitativen und Wohltätigkeitsvereinen, insbesondere im Agnes-Frauenverein vom Roten Kreuz für Sachsen-Altenburg, und widmete sich somit den sozialen Brennpunkten ihrer Zeit. Nicht nur finanziell, sondern auch aktiv handelnd versuchte sie, die Verhältnisse im Lande zu verbessern und Notleidende zu unterstützen, erst recht nach dem Kriegsausbruch 1914. Durch die Interessen ihres Mannes an Forschung und Technik - er besaß beispielsweise eines der ersten Autos im Herzogtum, unternahm eine Forschungsreise nach Spitzbergen und betrieb die Eröffnung eines Flugplatzes - wurden technische Neuerungen ebenso ihre ständigen Begleiter. Sie war nicht nur Taufpatin von Schiffen und Ballonen, sondern unternahm auch selbst gemeinsam mit Ernst Schiff- und Ballonfahrten.
Am 13. November 1918 entsagte ihr Gatte im Zuge der revolutionären Ereignisse dem Thron. Ihrer aller Wege trennten sich, das Paar wurde am 17. Januar 1920 geschieden. Adelheid zog sich auf Grund früherer Verbindungen ihrer Familie nach Ballenstedt im Harz zurück, wo sie zeitweise mit ihrer Tochter Elisabeth und zeitlebens mit ihrer Hofdame Margarete von Pawel in der dortigen Kügelgenstraße Nr. 34 lebte. Es fiel ihr nicht leicht, sich den neuen Gegebenheiten unterzuordnen. Dennoch sorgte sie durch ihre Persönlichkeit und ihr Engagement, Gutes tun zu wollen, auch hier dafür, dass sie eine geachtete Mitbewohnerin der Stadt wurde. Genötigt durch finanzielle Engpässe und wachsende gesundheitliche Probleme verbrachte sie viel Zeit bei Verwandten und in kurklinischen Einrichtungen des Landes und harrte ebenso wie ihr geschiedener Mann der Entscheidung des Landes Thüringen hinsichtlich einer finanziellen Abfindung. Nachdem diese im Jahre 1933 erfolgte, konnte sie vorerst ein unbeschwerteres Leben führen. Die gesundheitlichen Probleme jedoch belasteten sie weiter. Ihre Kinder, die bis auf Charlotte Agnes unverheiratet blieben, sorgten sich einmal mehr, einmal weniger um ihr Wohl, hielten aber dennoch stets einen festen Kontakt aufrecht. Selbst die Versuche ihrer Kinder und Verwandten, sie zu bewegen, nach 1945 in den Westteil Deutschlands zu übersiedeln, scheiterten an ihrer Gesundheit. So wurde Adelheid DDR-Bürgerin. Das wenige Vermögen, welches ihr nun noch verblieb, ließ sie in Form von Spenden den hilfsbedürftigen Einwohnern und Zugezogenen der Stadt Ballenstedt zukommen.
Adelheid verstarb am 27. Januar 1971 und überlebte damit den einstigen Herzog Ernst II. um fast 16 Jahre (gestorben am 22. März 1955). Ihre Urne wurde ihrem Wunsche gemäß in der Nähe des Mausoleums (Erbbegräbnis) im Park des Schlosses Bückeburg beigesetzt.
Der Bestand "Nachlass Herzogin Adelheid von Sachsen-Altenburg" wurde dem Staatsarchiv Altenburg im Mai 2005 durch Dr. med. Detlev Kranemann aus Wuppertal übergeben. Dr. Kranemann hatte sich nach Adelheids Tod im Jahre 1971 ihres Nachlasses angenommen, da es die damaligen politischen Verhältnisse in der DDR den Erben der Herzogin nicht erlaubten, Dokumente in die BRD mitzunehmen. Später, als Dr. Kranemann selbst in die BRD übersiedelte, gelang die Überführung des in zwei Koffern und weiteren Taschen verpackten Schriftgutes. Seine Versuche gemeinsam mit dem jüngsten Sohn der Herzogin, Friedrich Ernst von Sachsen-Altenburg, den Nachlass dann dem Archiv des Stammhauses Schaumburg-Lippe in Bückeburg zu übergeben, scheiterten wohl am Desinteresse des Hauses an der Geschichte der Sekundogenitur der Herrschaft Nachod (Böhmen), der die Herzogin entstammte. Somit war der Weg frei, die Archivalien nach Altenburg zu bringen.
Im März 2013 erhielt das Staatsarchiv von Dr. Kranemann eine ergänzende kleine Nachlieferung an Briefen. Diese war zugleich Anlass, sich nun der umfassenden archivfachlichen Bearbeitung des ungeordnet und ohne Verzeichnis übernommenen neuen Bestandes zu widmen. Dafür konnte von Mai 2013 bis Juni 2017 auf Honorar- und teils auch ehrenamtlicher Basis unter fachlicher Anleitung der Altenburger Hobbyforscher und Buchautor Uwe Gillmeister gewonnen werden. Dessen besonderes Interesse galt schon lange der Geschichte der herzoglichen Familie von Sachsen-Altenburg und dabei vor allem dem letzten Herzogspaar Ernst II. und Adelheid. So konnte er bei der inhaltlichen Erschließung des Nachlasses ein enormes tiefgründiges Hintergrundwissen einbringen. Einige notwendige Korrektur-, Nach- und Restarbeiten durch Archivarin Undine Puhl in den Jahren 2021 und 2022 schlossen die Bestandsbearbeitung dann ab.
Zu den ausgeführten Arbeiten am Archivgut gehörten die Formierung von Korrespondenz- und Sachakten, deren Inhaltserfassung und Ordnung nach einer strukturierten Systematik, deren technische bzw. konservatorische Behandlung (Foliierung, Entmetallisierung, Etikettierung, Verpackung in säurefreie Mappen und Archivkartons) sowie die Dateneingabe und abschließende Erstellung des Findbuches über das Fachinformationssystem AUGIAS-ARCHIV. Für die Korrespondenzakten wurden zusätzlich tabellarische Übersichten mit Angabe der einzelnen Korrespondenzpartner nebst Lebensdaten und gesellschaftlicher oder beruflicher Stellung (soweit ermittelbar) sowie der Briefinhalte angefertigt. Diese Inhaltsverzeichnisse sind der entsprechenden Akte als Papierausdruck beigelegt und zum anderen in der Bildvorschau der Datenbank als PDF-Datei zugeordnet. Des Weiteren fertigte der Bearbeiter je eine Übersicht über die in den Briefen vorkommenden Kose- und Spitznamen und über die gelegentlich unter den Familienmitgliedern verwendete Chiffrierung als Anlage zum Findbuch an.
Nach Abschluss der Bestandsbearbeitung umfasst der Nachlass nun mit 231 Verzeichnungseinheiten 2,1 lfd. m. Archivgut aus einem Zeitraum von 1831 bis 1972. Inhaltlich sind das schätzungsweise über 3000 Briefe, Postkarten und Telegramme, persönliche Dokumente und Sammelgut der Herzogin (u.a. Fotografien, Ansichtskarten, Gedichte, Briefmarken, Lacksiegel). Der für die historische Forschung interessante und bedeutsame Bestand gewährt vor allem über die zahlreichen Korrespondenzen Einblicke in das Leben der Adelheid von Sachsen-Altenburg, ihrer Familie und der Personen ihres sozialen Umfeldes, besonders auch nach der Scheidung 1920 und in der DDR bis zu ihrem Tode 1971. Die Archivalien ergänzen somit ungemein das in ersten Teilen schon seit 1930 im Staatsarchiv Altenburg verwahrte "Haus- und Privatarchiv der Herzöge von Sachsen-Altenburg". Darin sind neben zahlreichen Verwaltungsakten im Verhältnis leider nur wenig private Archivalien der Familienmitglieder des herzoglichen Hauses überliefert, darunter aber die in sich wiederum recht umfangreiche Korrespondenz von Adelheids Ehegatten, des Herzogs Ernst II. von Sachsen-Altenburg, von ca. 1893 bis 1955. Hingewiesen für die Benutzung sei hier noch auf Aktennummer 229 des Bestandes, die ein kleines Büchlein "Unicode" enthält, das dem Anschein nach in der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts besonders in adeligen Kreisen für die Codierung von Übermittlungen, besonders in Telegrammen, Verwendung fand und jetzt Hilfe für das Lesen von manchem vermeintlich lateinisch verfassten Brief sein könnte.
Bei einer Benutzung vor allem der Korrespondenzakten sind im Einzelfall derzeit noch die archivgesetzlich vorgeschriebenen Sperrfristen und auch der persönliche Datenschutz zu beachten.
Für die Zitierung des Bestandes gilt die folgende Vorgabe:
Landesarchiv Thüringen - Staatsarchiv Altenburg, Nachlass Herzogin Adelheid von Sachsen-Altenburg, Nr. …
In Abkürzung:
LATh - StA Altenburg, Nachlass Herzogin Adelheid von Sachsen-Altenburg, Nr. …
Altenburg, Oktober 2017 / August 2022 Uwe Gillmeister (†) / Undine Puhl